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S. M. der Fußballstar

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In Lateinamerika gibt es keine Könige. Dafür haben sich die Frauen manche Filmstars und die Männer berühmte Fußballer als Objekt ihrer Wunschträume ausgewählt. Freilich bereiten sie ihren Idolen damit kein leichtes Schicksal. Zwischen Brasilien und Chile ist Fußball für Spieler, Schiedsrichter und Publikum gleich gefährlich.

Sogar bei Weltmeisterschaftsspielen — wie zwischen „Santos“ und „Milän“ im Stadion Maracana, in Rio de Janeiro — glaubte man, eher einer Schlägerei als einer Sportveranstaltung zuzusehen. Gewiß trennen hohe Drahtzäune und Gräben in allen großen Plätzen Spieler und Publikum. Kein Spiel darf ohne Polizei stattflnden. Aber die Mannschaft des „feindlichen Klubs“ wird oft bei der Abfahrt verprügelt oder mit Steinen beworfen.

Die Uruguayer sind Anhänger eines ihrer beiden großen Klubs: „Penarol“ oder „National“. Als ein Anhänger des ersten auf der Tribüne bei einem „Goal“ jubelte, erstach ihn sein Nachbar, dessen Sympathien dem anderen gehörten. Als ein „Zuschauer“ unflätig auf den Schiedsrichter schimpfte, mahnte ihn sein Nachbar zur Ruhe. Darauf warf er den Warner sechs Meter hoch von der Tribüne auf das Zementpflaster. Der Mahner starb.

Die Auseinandersetzung zwischen den großen und den kleinen Klubs in Argentinien erregt die Masse mehr als ein Staatsstreich. Die Leidenschaft fördert das Geschäft.

Freilich spricht man bei den Fußballern wie bei den Filmstars immer nur von den wenigen Spitzenverdienern. Die argentinischen Stars, die elf „Besten“ nehmen außer den „Prämien“ etwa 200.000 Schilling im Monat ein. Der Brasilianer „Pelė“ wird nicht nur von der englischen Königin empfangen. Er verdient etwa das Vierfache der argentinischen Spitzengagen. „Real Madrid“ soll „Santos“ 25 Millionen Schilling Abfindung für „Pelė“ geboten haben.

Freilich erinnert dieses „Geschäft“ mit Fußballern ein wenig an den Sklavenhandel.

Wenige Tage vor seinem Sturz hat der brasilianische Präsident Joao Goulart ein Dekret erlassen, um, wie man in Brasilien sagte, den Fußballer „weniger als Ware und mehr als Menschen“ zu behandeln. Die Verträge söllen mindestens drei Monate und höchstens drei Jahre laufen. Der Spieler hat Anspruch auf 15 Prozent der Summe, die ein anderer Klub für ihn zahlt. Da die meisten brasilianischen Berufsspieler Analphabeten sind, müssen die Klubs — nach dem Dekret — ihnen Lesen und Schreiben beibringen lassen und sie gegen Unfall und Krankheit versichern.

Ob die „Revolutionsregierung“ in Brasilien das Dekret aufrechterhält, weiß man noch nicht

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