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The King

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Uber die Bühne der Zeit- und Weltgeschichte geht zur Zeit eine amerikanische Tragödie in drei Akten. Vietnam der erste, Dollarkrise der zweite. Eben zeigte sich in ersteren eine schwache Morgenröte, und nicht ungeschickt das Heftpflaster, mit dem man das zweite Malheur verklebte. Da peitschte in das kaum wiedergewonnene Prestige jener Schuß aus dem Hinterhalt in Memphis, der das Leben eines der nobelsten Repräsentanten amerikanischer Humanitas beendete: das des 39 jährigen Pastors, Negerführers, Bürgerrechtskämpfers und Friedensnobelpreisträgers Dr. Martin Luther King.

Dabei resultieren alle drei Unglücksfälle nicht aus einem Schwächeanfall der Nation, sondern sind geradezu, wie Alphons Dalma im Kommentar des österreichischen Rundfunks am Samstag abend überzeugend darlegte, der Preis ihrer Größe und Weltgeltung — eine echte amerikanische Tragödie also, deren Hauptrollen Macht, Reichtum und überforcierte schwarz-weiße Integration spielen.

Die letztere schien, obwohl schon einmal durch einen blutigen Bürgerkrieg belastet, schon halb gelungen, gefördert durch die Kriegskameradschaft in zwei Weltkriegen und in Korea und Vietnam, durch die zugestandenen Bürgerrechte und den weitgehenden politischen und sozialen Ausschluß der Farbigen, dem begreiflicherweise der lange unterdrückte geistige der Menge nachhinkte. So gab es eben auch unter ihnen, unbeschadet der Predigt der Gewaltlosigkeit ihres „anderen Gandhi”, Martin L. King, „Falken” und „Tauben”, und es ist geradezu satanische Ironie des Schicksals, daß seinem Tode Gewalt, Brandschatzung und Plünderung seiner Anhänger, der „Falken” unter ihnen, folgten, dem nicht nur Weiße, sondern wie immer auch „Tauben” der Schwarzen zum Opfer fielen.

King ist tot. Bedrückt und traurig nahm es die erdrückende Mehrheit der 173 Millionen Weißen und 24 Millionen Neger in den USA auf, und ehrte ihn wie vordem keinen seinesgleichen: durch Halbmast- flaggung und einen Staatstrauertag: King, den König der Schwarzen.

Die westliche Welt trauert, die östliche klagt noch dazu an. Wen? Die USA sind derzeit außer Tritt. Schwerverletzte schleppt man nicht vors Tribunal. Wenn zur Zeit etwas vom Selbstbewußtsein der „Weltpolizei” abbröckelt, kann es ihr nicht schaden. Am Untergang der USA aber kann im Innersten niemand, nicht Freund und Feind, interessiert sein. Er zöge die Welt mit in seinen Sog.

King wollte anderes. Seine Saat wird aufgehen.

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