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Verräter oder Verbündeter?

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UNTER SEINEM GALGEN STAND ÖSTERREICH. OESARE BATTISTI. Porträt eine „Hochverräters“. Von Claus Gatterer. Europa-Verlag. 134 Seiten. S 68.-.

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UNTER SEINEM GALGEN STAND ÖSTERREICH. OESARE BATTISTI. Porträt eine „Hochverräters“. Von Claus Gatterer. Europa-Verlag. 134 Seiten. S 68.-.

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Der Name Cesare Battisti ist der jungen Generation in Österreich so gut wie unbekannt. Ihren Vätern und Großvätern war er ein Synonym für Verrat. Der sozialistische Abgeordnete Trients zum Reichsrat am Wiener Franzensring verließ nämlich kurz nach Kriegsbeginn 1914 nicht nur mit einem gültigen Reisepaß Österreich-Ungarn, s er trat auch als Offizier in die Reihen der italienischen Armee ein, um, nachdem das Königreich Italien der Doppelmonarchie 1915 den Krieg erklärt hatte, für die „Befreiung seiner tridentinischen Landsleute aus den Fängen des Doppeladlers“ zu kämpfen. 1916 wurde er, übrigens von einem Österreich loyal gebliebenen welschtiroler Landsmann, gefangen und nach kurzem Prozeß in Trient gehängt.

Das Urteil entsprach dem harten Gesetz des Krieges, wobei offen blieb, ob Battisti sich nicht noch auf die Immunität als Reichsratsabgeordneter hätte berufen können. Politische Klugheit hätte es aber geboten, seine Exekution auszusetzen. Warum? Das weist Gatterer in dem vorliegenden Buche nach. Nach seiner durch einwandfreie Zeugnisse belegten These tötete Österreich in Trient nämlich einen Verbündeten von morgen. Der Sozialist Battisti wäre 1918 ein wertvoller Bundesgenosse gegen die Exzesse des italienischen Nationalismus gewesen. Ob es Battisti, der im Gegensatz zu seinen liberalen und nationalistischen Volksgenossen ausschließlich die Vereinigung von Trient mit dem Königreich Italien wollte, den zum Brenner drängenden italienischen Nationalismus die Stirn hätte bieten können, mag vielleicht bezweifelt werden. Auf jeden Fall aber hätten die Südtiroler in Battisti und seinem Freundeskreis wertvolle Bundesgenossen gegen den faschistischen Übermut gefunden.

Ein Südtiroler, der selbst in jungen Jahren die Auswirkungen der faschistischen Südtirolpolitik am eigenen Leib erfahren mußte, hat dieses Buch geschrieben. Sein Zeugnis wiegt doppelt.

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