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Die Karten lugen nicht... ?

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Bekanntlich stützen die Italiener ihre Behauptung, daß Südtirol italienischen Ursprunges sei, auf italienische Sprachforscher, wie Professor Carlo Battisti, Universitätsprofessor in Florenz, bekannter italienischer Rornanist, Senator Ettore Tolcmei, der bekannte Urheber der Verwelschung deutscher Ortsnamen, Professor Gerola, der Trientiner Pinzius.

Demgegenüber haben eine ganze Reihe anerkannter deutscher Wissenschaftler diese italienischen Thesen auf Grund eingehender Forschungen widerlegt. Dr. Fritz Dörrenhaus, Dr. Otto Stolz, Dr. Karl Finsterwalder, Dr. Franz Huter, Dr. Hermann Wopfner, J. U. Hubschmied, Mader, Tarnella, dessen Topographische Karte und Arbeiten im Archiv für österreichische Geschichte wohl grundlegend sein dürften, sowie der bekannte Heimatforscher Oberlandesgerichtsrat Dr. Richard Staffier.

In der Schrift „Die Nationalitätenfrage in Südtirol“ nimmt vor allem Prof. Karl Finsterwalder zum Kapitel „Ortsnamen und Sprachengeschichte in Südtirol“ eingehend Stellung.

Im Gegensatz zu diesen deutschen haben es sich die italienischen Sprachforscher leicht gemacht. Battisti behauptet zum Beispiel, daß „man“ in Latsch im Untervintschgau noch im Jahre 1349 ladinisch geschrieben habe und stützt diese Behauptung lediglich auf eine Kirchenzinsliste aus diesem Jahre, die von einem italienischen Hilfspriester geschrieben wurde. Da die Pfarre Latsch von Trient aus mit Seelsorgern versorgt wurde, ist dies leicht verständlich. Dabei verschweigt Battisti aber, daß sämtliche Personen- und Hofnamen der Liste rein deutschen Ursprungs sind und sogar dem Tiroler Dialekt entstammen.

Noch einfacher macht sich Battisti den Nachweis, daß Bozen ursprünglich italienisch gewesen sei. Hierzu zitiert er lediglich eine Reisenotiz des Ulmer Dominikanermönches Felix Fabri vom Jahre 1483, in welcher Fabri selbst erwähnt, „er habe gehört, daß Bozen vor wenigen Jahren noch italienisch gewesen sei“. Wenn man nun bedenkt, daß dieser Reisende, der lediglich eine Nacht in Bozen verbracht hat, diese Notiz und auch diese nur vom Hörensagen als Grund anführt und daß Battisti diese einzige Notiz als Beweisquelle benützt, so darf von geschichtlichem Nachweis wohl kaum mehr gesprochen werden.

Diese „Beweisquelle Battistis“ wird von vielen deutschen Sprachforschern, unter anderen von Otto Stolz, Leo Santifaller, K. D. Hoeninger und Richard Staffier, insbesondere aber von J. Kraft in seiner Schrift „Bozener Familiennamen im Jahre 1400“ eingehend widerlegt. Professor Santifaller weist nach, daß im ganzen Wanger-viertel um 1300 lediglich unter 101 Hausbesitzern drei romanische Namen vorhanden waren, während alle anderen Namen urdeutschen Ursprungs sind.

Noch einfacher macht Battisti sich die Sprachenforschung bezüglich des Namens der deutschen Stadt Brixen. Battisti leitet nämlich diesen Namen, unbekümmert um den wirklichen Ursprung, vom Meierhof Prihana aus dem Jahre 901 her und behauptet, dadurch sei der Nachweis erbracht, daß die ganze Gegend von Brixen italienischen Ursprungs sei.

Battisti behauptet weiter, daß das Unterland zum allergrößten Teile romanischen Ursprungs sei und die Eindeutschung des Bozener Unterlandes erst zur Zeit Meinhards II. im 13. Jahrhundert erfolgt sei.

Hingegen weist Prof. Stolz nach, daß diese „Eindeutschung“ schon lange vorher erfolgt sein muß, da in Tramin zum Beispiel bereits damals dreimal so viel deutsche als romanische Flurnamen und sechsmal so viel deutsche als romanische Personennamen nachzuweisen sind. Laut einer Veröffentlichung des Ferdinandeums in Innsbruck aus dem Jahre 193 8 wanderte das neuzeitliche italienische Element ins Bozener Unterland erst im 17., 18. und 19. Jahrhundert ein.

Am einfachsten macht Battisti sich aber die Sache mit jenen Orten, die Heiligennamen tragen. Hier behauptet er einfach, daß sämtliche Orte mit Heiligennamen romanischen Ursprungs sind, ohne jemals hierzu einen fundierten Beweis zu erbringen.

Im Tiersertal leitet Battisti den angeblich romanischen Lirsprung für Flurnamen auf den Namen Tschamin zurück und behauptet, daß dieser Name für ganz Südtirol typisch sei. Dabei vergißt er aber, daß er selbst in einer früheren Schrift diesen Lautwandel anders begründet. Es ist jedenfalls vollkommen unangebracht, aus einem widerspruchsvollen Tat-sachenbefund einen einzigen Namen herauszugreifen und in einer geographischen Zeitschrift dieses komplizierte Problem des Lautwandels als geklärt hinzustellen, obwohl anerkannte Forscher diesen Lautwandel fast ein Jahrtausend früher ansetzen.

Am einfachsten macht sich die Italianisierung der Namen der Trientiner Pinzius, der „glaubt“, und zwar im Jahre 1546, daß Bozen vor 80 Jahren vollkommen italienisch gewesen sei. Auch auf diese Quelle greift Battisti zurück, ohne einen geschichtlichen Beweis hierzu zu liefern.

Greifen wir nun auf die berühmt-berüchtigte Ortsnamenkarte zurück, die Battisti als historischen Beweis für seine Theorie heranzieht. Wir haben uns der Mühe unterzogen, diese Karte aufzuspalten, und hierzu das Land in vier große Zonen eingeteilt, und zwar: 1. Unterland und Ueberetsch, 2. Unteres Eisack-tal bis Franzensfeste, Sarntal und Nebentäler, 3. Bozen bis Meran, Vintschgau und Nebentäler, 4. Pustertal mit Nebentälern und das obere Eisacktal.

Nach der Theorie Battistis finden wir folgende Verteilung der Ortsnamen:

A. Unterland und Ueberetsch:

1. Gruppe: Vordeutsche Ortsnamen, durch einen zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert eingetretenen Lautwandel eingedeutscht: 14 (Altrei, Truden, Radein, Auer, Aldein, Leifers, Seit, Tramin, Keltern, Girlan, Pfatten, Planitzing, Deutschnofen, Welschnofen).

2. Gruppe: Eingedeutschte Ortsnamen mit nicht bestimmbarer Eindeutschungszeit: 8 (Salurn, Kur-tinig, Neumarkt, Kurtatsch, Montan, Branzoll, Gummer, Tiers).

3. Gruppe: Ortsnamen mit rein deutscher Wurzel: 4 (Petersberg, Untereggenthal, Obereggenthal, Gries).

4. Gruppe: Ortsnamen mit Heiligennamen: 4 (Söll, St. Josef, St. Nikolaus, St. Pauls).

B. Bozen, Etschtal bis Meran, Vintschgau und Nebentäler:

1. Gruppe: Vordeutsche Ortsnamen, eingedeutscht zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert: 48 (Bozen, Andrian, Terlan, Nals, Verschneid, Vil-pian, Vlaas, Mölten, Voran, Gargazon, Tisens, Pf rill. Platzers, Völlan, Niederlana, Mitterlana, Oberlana, Untermais, Meran, Grätsch, Tirol, Kains, Schönna, Riffian, Rabland, Plaus, Tabland, Stäben, Tschars, Galsaun, Tartsch, Latsch, Morter, Goldrain, Schlanders, Göflan, Laas, Eyrs, Martell, Proveis, Glums, Mals, Schleis, Laneil, Burgeis, Graun, Pedross und Taufers im Münstertal).

2. Gruppe: Orte mit rein deutschem Ursprung: 19 (Gries, Unterrein, Burgstall, Hafling, Schweinsteg, Malten, Platt, Greit, Moos, Rabenstein, Schneeberg, Vorderkaser, Kartaus, Mitterbad, Unsere Frau im Walde [Schnalstal], Innersulden, Lichtenberg, Reschen, Hinterkirch).

3. Gruppe: Ortsnamen mit nicht bestimmbarer Eindeutschungszeit: 21 (Pawigl, Tscherms, Verdins, Vernuer, Algund, Partschins, Naturns, Castelbell, Kortsch, Allitz, Tschengeis, Pfelders, Laurein, Außersulden, Trafoi, Gomagoi, Stilfs, Agums, Schluderns, Matsch, Schlinig).

4. Gruppe: Ortsnamen mit Heiligennamen: 11 (St. Martin, St. Leonhard im Passeier, St. Martin im- Vintschgau, Katharinaberg, Unsere Frau, Sankt Pankraz, St. Gertrud, St. Walpurg, St. Moritz, St. Nikolaus, St. Valentin).

C. Pustertal mit Nebentälern und Oberes Eisacktal: 1. Gruppe: Eingedeutschte Ortsnamen zwischen

dem 7. und 13. Jahrhundert: 35 (Meransen, Vals,

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