Jedes Wort aus 2.400 Rezensionen Tagescheibe

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Vom Büchertagebuch der F.A.Z. zur Büchertagescheibe: Quantensprung der Nutzbarkeit.

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Vom Büchertagebuch der F.A.Z. zur Büchertagescheibe: Quantensprung der Nutzbarkeit.

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Der Rezensent kann sich eines Platz verschlingenden, kräftezehrenden Haufens Papier entledigen. Wer als Redakteur, Rezensent, Bibliothekar, Wissenschaftler Zeitungsausschnitte archiviert, weiß, wovon die Rede ist. Im konkreten Fall besteht ein erklecklicher Teil des Papierhaufens aus Buchrezensionen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und die wandern nun, da ich die CD-ROM "Buchkritik" für mich entdeckt habe, fast alle jeweils im September in den Altpapiercontainer.

Der Wissende wird erwidern: Aber Freund, es gibt doch das "Büchertagebuch"! Ja, ich kaufe den blauen Band jedes Jahr auf der Buchmesse. Er enthält fast dasselbe wie die jährliche CD-ROM "Buchkritik", auf deren aktueller Ausgabe über 2.400 (!) Buchrezensionen gespeichert sind. Das "Büchertagebuch" der FAZ ist kompakt und gut zum gezielten Nachschlagen, aber überhaupt nicht geeignet, das zu gewährleisten, was ich, als systematischer Chaotiker, die programmierte zwangsläufige Begegnung nenne. Nämlich die Wiederbegegnung mit jenen wichtigen Zufallsfunden, auf die man nicht gezielt, sondern zufällig gestoßen ist. All die Dinge, die mir beim Lesen einer Buchrezension auffallen, die ich gelb, grün oder blau, mit Kugelschreiber oder Feder markiere oder dick anstreiche und die mir immer wieder in die Hände fallen, wenn ich meine Papierhaufen auf der Suche nach etwas mehr oder weniger Konkretem mehr oder weniger regelmäßig wende. Es handelt sich dabei um ein recht produktives System, auf das freilich ein Pedant nie und nimmer käme.

Zunächst einmal benützt man die alljährlich erscheinende CD-ROM eifriger als das vertraute blaue Buch, weil man sie erstens zur Hand hat, wenn man am PC sitzt, und weil man mit Hilfe der beiden Hauptregister (Belletristik, Sachbuch) alles sehr viel schneller findet. Der große Clou ist aber wieder einmal die Volltextsuche. Jedes Wort aus 2.400 Rezensionen ist wieder auffindbar. In irgendeiner Rezension stand ein Satz über den Dekonstruktivismus, auf den ich zurückkommen will. Wenn er sich nicht dick markiert im Papierhaufen findet, ist er verloren. Im Büchertagebuch finde ich ihn nie und nimmer. Die Volltextsuche bringt mir binnen Sekunden fünf Erwähnungen des Begriffs Dekonstruktivismus auf den Bildschirm, zwei vom selben Tag, wenige weitere Sekunden später habe ich die richtige: Der Satz stand in einem Buch über Carl Schmitt und es ging darum, den Gehalt eines Werkes gegen die Intentionen des Autors zu wenden, es wider den Strich zu bürsten.

Ich gehe der Wirkungsgeschichte des österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises nach. Drei Erwähnungen im Lauf des Jahres, nur eine davon in einer Neuauflage von Mises selbst und daher im Register des Büchertagebuches zu finden. Was bei eifriger Nutzung der Funktion "Suchen" immer wieder begeistert, ist die Leichtigkeit, mit der man alles im Dschungel der 2.400 Rezensionen Verlorene immer wieder auffindet, und die besondere Schnelligkeit aller Funktionen. Das gilt auch für den Textexport. Ein interessanter Satz, ein ganzer Artikel ist in Sekundenschnelle in eine bestehende oder neue Datei, einen Artikel, eine persönliche Zitatensammlung übertragen.

Kompetente Rezensionen sind eine unerschöpfliche Fundgrube. Dank dieser jährlich erscheinendenden CD-ROM wird die Arbeit mit ihnen zum Vergnügen, ja ein bißchen zur Sucht.

CHARTRES Ein Führer durch die Kathedrale Von Michael Ladwein Verlag Urachhaus, Stuttgart 1998 230 Seiten, 180 Abb., Pb., öS 285,

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