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Mit Grillparzers "Medea" und dem Auftragswerk "Ostmark" des polnischen Autors Andrzej Stasiuk eröffnete die neue Intendantin Anna Badora ihre erste Spielzeit in Graz.

Medeas Handflächen und Fußsohlen sind rot eingefärbt. Von Anfang an sticht ihr Anderssein gewaltig ins Auge. Von ihrem Unglück meint man zu wissen, sobald sie erscheint. Heimatlos, ihr langes schwarzes Haar zu einem trotzigen Hauptschmuck verflochten, von einem unabwendbaren und tragischen Schicksal begleitet, wie es nur den Großen der griechischen Mythologie zusteht. Sie sucht, emotionsgeladen gespielt von Martina Stilp, gemeinsam mit ihrem Survival-Helden und Gatten Jason (Sebastian Reiß), ihren Kindern und der hellsichtigen Amme (Martina Krauel) Zuflucht am korinthischen Hof des Königs Kreon (Daniel Friedrich). So gerät sie in die schillernden Hinterhalte einer zivilisiert erscheinenden Gesellschaft, die sie am Ende als rasende Mörderin auch ihrer Kinder in die Flucht schlägt.

Anna Badoras Inszenierung von Grillparzers Medea trägt die Handschrift einer gelernten Theatermacherin, die weder den Originaltext in Stücke reißt noch einen Bühnenklassiker mit knallharten Gegenwartsbezügen zu Grunde richtet. Der Abend lebt von manierlichen Einfällen der Regie, etwa wenn der Staatsbürgerschaftstest von der Barbarin Medea Walzertanzen und Vorsingen einfordert: die aus Sektflöten nippende Königinnenrivalin Kreusa (Jaschka Lämmert) gibt ihr Takt und Tonhöhe vor.

Mutig und spektakulär kann man Badoras erste Graz-Inszenierung nicht nennen, doch ist die subtile Umsetzung des Bühnenbildes (Paul Lerchbaumer) stark genug, etwa wenn Lerchbaumer die vergoldete Logengalerie des Schauspielhauses bis zur hinteren Bühnenmitte verlängert. Gesichert mit Stacheldraht, Brettern und schwerer Eisentür wird sie zur begehrten Hochburg, zur Hoffnungs-und Sehnsuchtsstätte für die Asylsuchenden. Ein schmaler bläulicher Streifen bleibt dann noch für den offenen Horizont in die Tiefe, die die Heimatlosen, Vertriebenen, Verfluchten und Schutzsuchenden freigibt und nach missglücktem Asylantrag wieder aufnimmt. Einmal nur betritt der Frack tragende König Kreon auf diesem Weg die Bühne. Dann nämlich, als er versucht, in einem menschenverachtenden Akt, untergriffig und begeilt, der verstoßenen Medea das Goldene Vlies zu entlocken. Das ist einer jener starken Auftritte, die die schließlich mit herzlichem Applaus honorierte, knapp zweistündige Inszenierung ausmachen.

Kein offener Horizont, sondern ein dunkler Wald nimmt am zweiten Theaterabend auf der Grazer Probebühne einen neuen Typus von Wirtschaftsflüchtlingen auf. Der Ort ist gleichzeitig auch Zwangsunterkunft. Anna Badora lud ihren polnischen Landsmann Andrzej Stasiuk ein, für Graz ein Stück zu schreiben. In knapp 90 Minuten literarischem Zündstoff erledigen drei Schwarzarbeiter aus dem Osten für die überalterte westliche Gesellschaft die Arbeit. Das Verständnisgefälle ist groß und läuft anders als gewohnt: "Alles hat 0,1% Fett aber alle sind fett. Das verstehe ich nicht." Die Schweizer Regisseurin Christina Rasts setzt Ostmark als schrillen Funpark an, in dem die fröhlich ein und aus laufenden Vorurteile Unterhaltungswert haben. Die Inszenierung schützt vor "Kein schöner Land"-Freuden. Auf Anna Badoras Zeit in Graz darf man gespannt sein.

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