Keine Chance für politischen Umsturz

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Sprengkraft kann auch in der Adaption eines Klassikers von Carlo Gozzi liegen, wenn ein Revolutionär wie Wsewolod Meyerhold, den Stalin 1940 hinrichten ließ, und ein Komponist wie Sergej Prokofjew damit dem sozialistischen Realismus ein subtiles Schnippchen schlagen.

Denn in dem Märchen vom Treffkönig, seinem hypochondrischen Kronprinzen, von Palastintriganten und bösen Feen, die alle noch dazu Commedia dell'arte-Figurinen gleichen, braucht es nicht viel, um das Publikum gleich am Anfang auf die Bühne zu bringen: Der dreigeteilte Chor verlangt - als romantische Tragödienliebhaber, erdhafte Komödienfreaks und unterhaltungssüchtige Hohlköpfe - nach Innovation. Also zieht der Prinz mit Nadel, Faden und Fingerhut aus, die Liebe der drei Orangen zu erringen. Sein Adlatus Truffaldino killt vor Durst zwei davon. Aber dann gibt es doch noch ein romantisches Happyend: Der Prinz küsst die dritte Orangenprinzessin. Die Intriganten und die Fata Morgana schauen durch die Finger.

Scherz, Satire und Ironie jongliert Andreas Homoki, derzeit Chef der Komischen Oper Berlin, demnächst Nachfolger von Alexander Pereira in Zürich, in seiner schon in Berlin, Antwerpen und Genua gezeigten Modellinszenierung virtuos. Da bewegt sich ein sonst oft steifer Opernchor wie gleich drei Ballettkompagnien, erstarrt mitunter punktgenau zur fahlen Silhouette am Rande des Weltgeschehens. Theatralischer Realismus, intellektuelle Aufklärung oder gar politischer Umsturz haben da keine Chance - die Schlusspointe.

Musikalisch nur das Beste

Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann stellt das Ganze in drei goldene Bilderrahmen und nutzt geniale kleine szenische Tricks zur Verwandlung und Verzauberung von Ort, Zeit und Mensch. Prächtig die spielkartenbunten Kostüme von Mechthild Seipel.

Da lässt sich auch musikalisch nur das Beste geben. Dirk Kaftan, der leider mit dieser Produktion der Grazer Oper abhanden kommende 1. Kapellmeister, entfesselt ein Feuerwerk funkelnder Orchesterbravour und trägt ein gediegenes Sängerensemble zu einem so kaum erwarteten Premierenerfolg. Übermächtig in seiner Aufplusterung und Verzweiflung der Edelbassist Philippe Rouillon aus Paris als Treffkönig. Malerische Figur als Polsterpotato macht Marlin Miller als Prinz, der seiner traurigen Gestalt allmählich immer feinere Tenorkantilenen verleiht. Die Thronintrige der attraktiven Georgierin Ketevan Kemoklidze als Prinzessin Clarice und des Basses von Wilfried Zelinka als Mitverschwörer Leander missglückt handlungsgerecht, lässt aber vokal aufhorchen. Als böse Zauberin Fata Morgana genießt die lettische Mezzosopranistin Aira Rurane mit gewaltiger Tessitura ihre Auftritte, als kleiner roter Teufel Farfarello begeistert Götz Zemann. Exzellent die Commedia-Figuren des Pantalone (Ivan Orescanin), Truffaldino (Manuel von Senden) und als Pseudoprinzessin in Blau die köstliche Smeraldine (Lucia Kim). Szenenapplaus verdient sich schließlich als furchterregende Köchin der mächtig auftrumpfende Haus-Bassist Konstantin Sfiris.

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