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Buntes Spiel in der Volksoper

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Im Sommer 1918 verließ Sergei Prokofieff Petersburg, durchquerte das Land zwischen Weiß und Rot und landete Anfang Juni in Japan. Während des zweimonatigen Aufenthalts wurden dort — Im Kaiserlichen Theater von Tokio und in Yokohama —drei Konzerte veranstaltet, dann reiste er weiter: über Honolulu und San Franzisko nach New York, wo er seine ersten Konzerte gab. Erfolg und Berichterstattung waren sensationell. — Während dieser vier unruhigen Reisemonate konzipierte Prokofieff den Plan und die meisten Themen seiner neuen Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“. Im Jänner 1919 hat er bereits einen Kontrakt für die Aufführung in Chikago in der Tasche, der von Campanini gezeichnet ist, am I. Oktober des gleichen Jahres liefert er die Partitur ab. Aber es sollte noch lange bis zur Premiere dauern. Erst nach einem Wechsel in der Leitung der Chikagoer Operntruppe, wo Campanini durch Mary Garden ersetzt worden war, findet Ende 1921 die Uraufführung statt. Prokofieff war — ein unruhiger Wanderer — inzwischen zweimal in Europa gewesen und kehrt zur Vorbereitung der Premiere nach Amerika zurück. In Chikago hat das Werk Erfolg; beim New-Yorker Gastspiel der Mary-Garden-Truppe sind die Meinungen geteilt. — Heute ist diese Oper ein Repertoirestück der Metropolitan. In Europa ist das Werk, bis auf den berühmten und vielzertanzten Marsch, fast unbekannt.

„Das Stück von Gozzi“, sagt Prokofieff selbst einmal, „verführte mich durch seine geschickte Mischung von Märchen, Komödie und Satire, und vor allem durch seine Theatralik. Es entsprach auch meinen eigenen Bestrebungen auf dem Gebiet der Oper, die gegen den Naturalismus und gegen die Routine der Theaterepigone“! aus der vorrevolutionären Zeit gerichtet waren . .“ Das Märchen — in der typisch exotischen Einkleidung durch Gozzi — erzählt von dem an „chronischer Hypochondrie“ erkrankten Prinzen, der zum Lachen gebracht wird, der aber dies Lachen teuer bezahlen muß, da er sogleich von einer gekränkten Fee verzaubert wird: er muß sich in drei Orangen verlieben. Der zweite Teil der Oper schildert die Fahrt zu den drei Orangen, ihre Auffindung und die Liebe des Prinzen zu einer der drei Prinzessinnen, die den Orangen entsteigen. In der Nebenhandlung figurieren drei Intriganten, die nach Krone und Reich — und daher dem jungen Prinzen nach dem Leben trachten: die ehrgeizige Hofdame Clarissa, die böse Fee Fata Morgana und die Araberin Smeraldine. Natürlich triumphiert die königstreue Partei, und natürlich findet am Schluß die Hochzeit des Prinzen mit der Prinzessin d'Orange statt... Soweit das Märchen. Die Satire Gozzis richtet sich gegen den traditionellen Stil der venezianischen Komödie, vor allem aber gegen den Konkurrenten Goldoni, dessen typische Gestalten persifliert werden. Daher die paro-distischen Ensembles der Tragischen, der Komischen, der Lyrischen und der Hohlköpfe, die, für ihr Prinzip demonstrierend, über die Bühne ziehen. Als Vorläufer der „romantischen Ironie“ erscheint Gozzi durch die Einführung der zehn „Originale“ („Les Ridicules“), die links und rechts in zwei Proszeniumslogen sitzen, das Geschehen auf der Bühne kommentieren und an besonders kritischen Stellen in die Handlung eingreifen.

Die Partitur Prokofieffs ist ungewöhnlich reich an witzigen, parodistischen und lyrischen Details. In ihrer mosaikartigen Konstruktion ist sie vor allem dem großen Vorbild Mussorgskys verpflichtet. Die blechgepanzerte Instrumentierung wirkt oft grob und lärmend, so daß man aus dem Klavierauszug den günstigeren Eindruck empfängt. Jedenfalls hat Prokofieff seither auf diesem Gebiet viel dazugelernt. Spielleiter (O. F. Schuh), Bühnenbildner (Stefan Hlawa), Kostümzeichnerin (Erni Kniepert), Dirigent (Igor Markewitsch) und Choreographin (Erika Hanka) wetteiferten, die Aufführung so abwechslungsreich, so bunt, so klangkräftig und so bewegt wie möglich zu gestalten. Vielleicht geschah des Guten etwas zu viel, und weniger wäre mehr gewesen. Aber das Stüde von Gozzi und die Partitur Prokofieffs scheinen zu einem solchen Exzeß zu verführen ... Das Programm der Volksoper verzeichnet mehr als zwei Dutzend Sänger sowie — außer den bereits erwähnten Gruppen — Ärzte, Hofleute, Säufer, Fresser, kleine Teufel, Wachen, Diener und Soldaten. Wir können daher nur die Träger der Hauptrollen nennen: Endre Koreh als Treffkönig, Charles Platt (Prinz), Martha Rohs (Prinzessin Clarissa), Kurt Rehm (Minister), August Jaresch (Trufaldino), Josef Knapp (Pantalone), Marjan Rus (Magier), Margaret Kenney (Fata Morgana) und Rosl Schwaige: (Prinzessin Ninetta). Der Premierenerfolg war sehr stark.

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