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In Elfriede Gerstls "Mein papierener Garten" blüht und wuchert es, dass es eine wahre Lesefreude ist.

Es ist ein Garten ganz anderer Art, der der neuen Lyrik Elfriede Gerstls den Titel "Ein papierener Garten" gibt. Und wer Gerstl kennt, weiß, dass man sich auf besondere Einfälle freuen darf. Ihr Garten ist ein urbaner mit Hang zum Wildwuchs, der - man kann es sich blühend vorstellen - in ihrer Wiener Wohnung wächst. In ihm wird großzügig geerntet und vor allem genossen. Statt Paradeiser und Radieschen sind es Buchstaben in Form von Sätzen und Gedichtzeilen, deren Urheber Wittgenstein oder Artmann sind. Zwischen Kräutern und Rüben siegt, wenn sich der Ordnungsdrang bemerkbar macht, die Frage nach dem Zweck: "wozu / ich freu mich ja heimlich / über meinen verwilderten garten".

Weise Denkkrümel

Innovativ und pointiert kommentiert Elfriede Gerstl, die nach einem langen literarischen Marginaliendasein mittlerweile endlich zu den arrivierten Autorinnen zählt, Momente aus dem eigenen Leben. Sie werden irgendwann zu kollektiven Wahrnehmungen und lassen sich mitunter auch als lakonische Textspur zu gesellschaftlichen Phänomenen lesen. In Kürzestgedichten bündelt sich so viel Weisheit, dass man versucht ist, einzelne Sätze und "Denkkrümel" wortwörtlich in das eigene Zitat-Repertoire aufzunehmen. Ein paar Beispiele: "die tat ist der tod / aller möglichen alternativen" oder "luxus zurückweisen / das ist luxus" und noch eins: "manche kommen aus dem staunen nicht heraus / manche nie hinein". Ihre "Kopfwanderungen" paaren sich, und das macht sie besonders liebenswert, mit amüsantem Lesegenuss. Denn Gerstl geht, auch wenn das Leben mit zunehmendem Alter Beschwerden und Widrigkeiten bringt, humorvoll und witzig an die Dinge heran, zumal sie sich auch über die eigenen "Laster" und Spleens lustig machen kann. Wir kennen sie als Sammlerin ("gute nacht mein liebes glumpert / ich habe zuviel von euch / aber nicht genug"), Kleider und Krimskrams wuchern in ihrem Depot, und irgendwo scheinen sich auch Medikamente samt Beipackzetteln zu stapeln. Sie liest sie, "wie sich andere krimis reinziehen. / die arzneien schauen her - ich schau zurück."

Kraft der Sätze

Der Großteil der Gedichte stammt aus den letzten Jahren. Als thematische Schleifen dominieren das Alter samt Härten des Winters oder aphoristische Kommentare zum (modernen) Leben. Angst und Schmerz erinnern sie als späte Liebesboten daran, dass sie noch da ist. Ein "ausgebliebener Darmkrampf" und kein weiterer Gewichtsverlust bürgen trotz niedrigen Blutdrucks für einen "gelungenen Tag". Der Winter zwickt und beißt, wütet und windet die Kraft aus dem frierenden, zitternden Körper.

Bleibt noch der zentrale Bereich der Sprachreflexion, insbesondere Poetologisches zum Schreiben von Lyrik. Neben Sprachspielereien entfaltet sich hier die "kraft der sätze", fassbar als Stahlkonstruktion und Umarmung: "einer lässt mich als weisse wolke / in blauseidene himmel fliegen". Und ganz nebenbei läuft Vergangenes mit, Bitterkeit über Armut und lange Nichtbeachtung, ein Minigedicht pulsiert rückwärts durch das Leben, erinnert an Gerstls Verfolgung durch die Nazis, die, wie man aus Biografischem weiß, mit Bajonetten im Kohlenkeller nach ihr gestochert haben: "a bissal gfiacht / a bissal gfreid / hauptsach ausn kölla aussegräud". Knapp, mit präziser Treffsicherheit wie das "unerwartete Totengedenken" im Café Hawelka, das zu Allerseelen sogar den Zentralfriedhof ersetzt.

Elfriede Gerstls Poesie hat etwas Schwebendes an sich. Leichtfüßig verbindet sich in ihren Texten der Pulsschlag des Lebens mit einem diagnostischen, klugen Blick auf die Gesellschaft, der dieses spezifische, feine Idiom in ihre Schreibwelt stanzt. Witz, Ironie und sprachliche Sensibilität sind zu ihrem Markenzeichen geworden. Ein selten gelungenes Buch!

Mein papierener Garten

Gedichte und Denkkrümel von

Elriede Gerstl

Literaturverlag Droschl, Graz 2006

89 Seiten, geb., e 16,-

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