Krieg macht gesichtslos

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"Nicht größer als eine Ameise": Oskar Laske im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien.

Krieg macht gesichtslos, in der militärisch vorrückenden Masse einer Truppendivision wird der einzelne zum Teil der übergeordneten Kriegsmaschinerie. Oskar Laskes Bilder vom ersten Weltkrieg vermitteln genau diesen Zustand. "Nicht größer als eine Ameise", eine Sonderausstellung im Heeresgeschichtlichen Museum zeigt Guaschen, Aquarelle und Skizzen, die Laske als Kriegsmaler des Kriegspressequartiers anfertigte.

Wie gezeichnete, gemalte Blitzaufnahmen von diversen Frontschauplätzen wirken die Zeichnungen auf kleinformatigen, teils von der Reise sichtlich mitgenommenen Blättern. Mit Feder und Bleistift erfasste Laske rasch die Situation, richtete seinen Blick auf den Kriegsalltag, zeigt wie aus der Schlüssellochperspektive die Hinterseite des Krieges. Den Feldkoch bei der Arbeit, schlafende Soldaten, Porträtstudien von Offizieren, die Zivilbevölkerung am Markt: in diesen schnellen Skizzen gibt Laske den Menschen ihren Charakter zurück. Jenseits des Kampfes, ausgegliedert aus der Masse, wird der Mensch wieder zur Persönlichkeit. Laske fängt sie ein, überzeichnet humorvoll einzelne Szenen wie beispielsweise einen schlafenden Soldaten zur Karikatur in Vorwegnahme des Comic-Strip.

Das genaue Hinsehen auf den Alltag, das starke, menschliche Interesse am Kleinen, die Unfähigkeit den Krieg pathetisch zu verherrlichen entsprach nicht der Intention des Kriegspressequartiers. Um das Honorar des Schlachtenbildes "Erstürmung der Höhe Pustki durch die 12. Division" musste Laske lange kämpfen. Bezahlt wurde nach zähen Verhandlungen am 22. Juni 1922. Das Bild wurde "durch Kriegseinwirkung" zerstört, ein Entwurf dazu ist zu sehen. Oskar Laskes Durchbruch der 12. k. u. k. Infanterie-Truppendivision bei Gorlice hat nichts Großartiges. Die Soldaten wirken wie ein Spielzeugheer, wie Ameisen, die sich in der Weite des Horizonts verlieren. Akribisch genau malt Laske die Positionen: Soldaten mit Gewehr im Anschlag, vorrückende, fallende, fliehende, in der Ferne nur noch Punkte.

Undramatisch wirken seine Schlachten, Heere überziehen die ruhig daliegenden Landschaften wie Heuschreckenplagen. Stoisch und distanziert, emotionslos versucht Laske, den Krieg als gewissenhafter Chronist objektiv festzuhalten. In dieser Haltung liegt eine tiefe Wahrheit: der Krieg ist zu groß, zu abstrakt, zu gewaltig, als dass man mitleiden oder sich mit einem Soldaten identifizieren könnte. "Man ist nicht größer als eine Ameise da drinnen. Die Artillerie beherrscht alles. Gewaltig, intelligent, alles zerschlagend, mit einer Regelmäßigkeit, die zum Verzweifeln ist", meinte Fernand Léger am 7. 11. 1916 in Verdun auf dem Schlachtfeld.

Mit Akribie beobachtete Laske den "Barrikadenkampf" in Belgrad am 5. Oktober 1915. Zivilisten schlagen Soldaten, Soldaten Zivilisten, dazwischen ein zerborstener Flügel, eine geknickte Straßenlaterne, Hausrat, ein verlassener Laden: Wie stumme Statisten sehen Ziegel, Pflastersteine und Häuser dem "Morden oder gemordet werden" der entmenschten Kreatur zu.

Krieg ist immer unfassbar grausam, egal ob im geordneten Manöver, in Städten oder Dörfern. Laske macht keinen Unterschied. Im Katalog zur Gedächtnisausstellung 1952 wurde er so beschrieben: "Seine Liebe zu aller Kreatur war verbunden mit tiefer Einsicht in ihre lichten und dunklen Kräfte, in ihre Wege und Irrungen, in seinem Wesen war Humanitas, Weisheit, Humor und herzhafte Ironie vereinigt. In der bittersten Betrachtung der Zeitgeschehnisse ist er nicht Misanthrop geworden."

Bis 28. Juli

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