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Hymnensorgen

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Danebengeraten! Nicht von Oesterreichs offizieller und Oesterreichs „heimlicher“ Bundeshymne ist diesmal die Rede. Aus-

nahmsweise. Aber unsere eidgenössischen Nachbarn wollen uns scheinbar nicht allein lassen in unserem Kummer, auch zwischen dem Jura und dem Bodensee, zwischen Basel und dem Lac Leman ist eine Diskussion über die schweizerische Nationalhymne entbrannt. Eigentlich ist sie nur — wieder einmal — neu angefacht worden. Denn seit Jahrzehnten wissen die Eidgenossen nicht, was eigentlich die offizielle Hymne ihres Landes ist. Ist es das nach der Melodie des „God save the King“ zu singende „Rufst du, mein Vaterland“, zu dem im Jahre 1841 der Berner Philosophieprofessor Johann Rudolf W y ß den Text schrieb? Oder ist es der von Pater Albert Z w y s s i g 1841 komponierte „Schweizer Psalm“, zu dem der Züricher Dichter Leonhard Widmer den Text schrieb, „Trittst im Morgenrot daher...“? Noch eine dritte Möglichkeit ist offen: die

von B a r b 1 a n komponierte „Vaterlandshymne“. Hymnen, Hymnen, Hymnen — die Auswahl ist wirklich nicht gering. Und je nach Lust und Laune, Kanton oder Verein geben die Schweizer Bürger diesem oder jenem Kantus den Vorzug, singen und spielen ihn bei vaterländischen Ereignissen.

Schuld an „der hymnenlosen, der schrecklichen Zeit“ is*t niemand anderer als die Schweizer Regierung, der Bundesrat. Trotz vieler Enqueten, auf denen ungefähr jedes Jahrzehnt einmal der Wunsch nach einem Schiedspruch, welches d i e Landeshymne jetzt sei, widersetzte sich dieser bis heute standhaft. Immer mit einer ähnlichen Begründung wie schon 1894. Der Bundesrat stellte sich damals auf den Standpunkt, daß „die Einführung eines derartigen Gesanges nicht durch Beschluß irgendeiner Behörde dekretiert werden könne, sondern dem Geschmacke des singenden Volkes anheimgestellt bleibe“.

Wie die jahrzehntelange Hymnendiskussion in. unserem Schweizer Nachbarstaat, die durch Besprechungen zwischen Beamten des Departement des Inneren mit Vertretern der eidgenössischen Sängerschaften neu in Fluß gekommen sind, ausgehen werden, ist“ ungewiß. Vielleicht wird sie das Schweizer Volk noch eines Tages mit dem Stimmzettel zwischen dem etwas martialischen „Rufst du, mein Vaterland“ und dem mehr innigen „Schweizer Psalm“ entscheiden ...

Als Beobachter jenseits des Zaunes in ähnlichen Nöten, wissen wir schon heute, wie so eine Volksbefragung bei uns ausfallen würde...

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