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Die Urfassung des "Weißen Rössls" von 1930 ist nun im Linzer Landestheater zu sehen.

Das Spannendste an der "Wiedererweckung" des weltberühmten Singspiels von Ralph Benatzky mit Liedtexten von Robert Gilbert und musikalischen Beiträgen von Bruno Granichstädten, Robert Stolz u. a. ist seine musikwissenschaftlich belegte Entwicklungsgeschichte, die hier nur kurz angerissen werden kann: Das Libretto von Hans Müller und Erik Charell beruht auf dem Alt-Berliner Lustspiel gleichen Titels von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg von 1878 und gilt heute als Vorläuferin des deutschen Musicals, vor allem als berühmteste Vertreterin der Berliner Operette. Nach der Uraufführung im ehemaligen Großen Schauspielhaus trat das "Weiße Rössl" mit seinem Mix aus österreichischem Kolorit und Charme, Berliner Schnauze und in revueartigem Zuschnitt seinen internationalen Siegeszug an. 1933 wurde das Werk jedoch wegen seiner jüdischen Mitarbeiter in Deutschland verboten und in der Aufführungspraxis in eine geschmäcklerische Operette umgemünzt, d.h. "gereinigt" von Ironie, parodistischem Witz, (Homo-)Erotik und jazzigem Sound, wie wir sie gemeinhin kennen und wie sie insbesondere in der Verfilmung mit Peter Alexander bis heute beliebt ist. 1994, abermals in Berlin, diesmal in der "Bar jeder Vernunft", einem Unterhaltungstempel, gab es eine schräge "Rössl"-Aufführung mit Max Raabe, in der die kabarettistischen Elemente der Urfassung neu belebt wurden.

Sandy Lopicic´, selbst Musiker und Regisseur der aktuellen Produktion am Linzer Landestheater, hat sich intensiv mit dieser Vorgeschichte der Operette befasst und für seine Inszenierung einen verschollen geglaubten Klavierauszug von 1931 benutzen können, in dem, zusätzlich zum Orchester, eine Jazzband aufscheint. Prompt verstärkt auch Lopicic´ das unter Leitung von Alexander Hannemann schmissig spielende Bruckner Orchester Linz mit sechs Jazzmusikern, deren Sound leider relativ wenig zum Tragen kam.

Da "Das Weiße Rössl" sehr wesentlich eine Schauspieler-Operette ist, vertraute die Regie auf das ausgezeichnete, spielfreudige Schauspiel-Ensemble, das sich tatsächlich weitgehend recht gut bis sehr gut bei Sing-Stimme zeigte! Hervorgehoben seien stellvertretend der routinierte Sing-Schauspieler Karl M. Sibelius (Leopold) - (seine eher peinliche "Hosen-Szene" bedürfte energischer Kürzung) -, Katharina Hofmann als bemühte Rössl-Wirtin und Guido Wachter als ein in Darstellung und Gesang exzellenter Dr. Siedler. Erich Josef Langwiesner hatte einen Auftritt als etwas seniler, aber weiser Kaiser Franz Joseph II.

Bis zur Pause der Premiere im Großen Haus des Landestheaters Linz galoppierte das berühmte Pferd lustvoll über die von Marina Hellmann sehr ansprechend gestaltete Bühne. Sexy herausgeputzte Stubenmädeln (Kostüme Leo Kulaš), älplerische Schuhplattler und der allgegenwärtige Piccolo (Manuel Klein) wieselten umher. Nicht zu vergessen die perfekte Choreografie von Otto Pichler sowie Chor und Ballett des Landestheaters. Schade, dass das "Rössl" nach der Pause etwas lahmte, doch wird es, wie zu hoffen ist, bald wieder galoppieren!

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