Neue Blicke aufs Judentum

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Das Wiener Judentum ist lebendiger als in den letzten Jahren je vermutet. Solches legt ein Blick auf die neuen und die erneuerten Printmedien nahe.

Nun ist ihr viertes "Kind“ erschienen: Nach dem Tod von Leon Zelman 2007 hatte Marta S. Halpert die Chefredaktion des Jüdischen Echos übernommen. Die jährlich erscheinende Zeitschrift präsentiert sich einmal mehr in runderneuerter Konzeption. 60 Jahre sind seit der Gründung durch Zelman vergangen. Halpert hat das traditionsreiche Organ, in dem der Gründer die Großen des Landes (und manchmal darüber hinaus) zu jüdischen Themen versammelt hat, auf eine "inhaltliche“ Basis umgestellt. Ein Thema umkreist jedes Heft - zum 60er legt Halpert "Religion heute. Wozu? - Glauben in einer säkularisierten Welt“ vor.

Vom "Jüdischen Echo“ bis "Wina“

Viele der Namen, die man zu diesem Thema lesen möchte, sind im neuen Band präsent - von Kardinal Schönborn bis zum lutherischen Bischof Michael Bünker reicht der Bogen der christlichen Beitragenden, dazu aber auch Denker vom kanadischen Philosophen Charles Taylor über den austro-amerikanischen Religionssoziologen Peter L. Berger bis zu vielen jüdischen - und heuer besonders ausgeprägt - auch muslimischen Stimmen.

Mehr Almanach als simple Zeitschrift ist das Jüdische Echo unter Halperts Ägide geworden, ein Nachschlagebuch zu einem Thema der Zeit, man findet darin Konservative wie den Focus-Chef Wolfram Weimer ebenso wie den polnischen Intellektuellen Adam Michnik, der - leider - wenig Gutes über die katholischen Kirche seines Landes berichtet.

Halperts Philosophie fürs Jüdische Echo ist typisch für eine neue Generation jüdischer Publizistik in Österreich. Das Judentum der Nachkriegsgeneration ruhte vor allem auf den Säulen Erinnerung an die Schoa sowie der Unterstützung des Staates Israel. Natürlich gehöre dies nach wie vor zu den Eckpunkten jüdischer Identität, aber, so Halpert: "Ich habe von meinem Judentum viel mehr zu zeigen, zu teilen, zu erzählen.“ Und genau darauf setzt sie den Schwerpunkt ihrer journalistischen Arbeit.

Fast wortgleich klingt Julia Kaldori, die seit kurzem die publizistischen Aktivitäten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) betreut. Die frühere Verlagslektorin meint, es gelte verstärkt, die Generation zu erreichen, die nicht mehr durch die Nähe zur Schoa geprägt ist. Judentum heute könne sich nicht nur daran oder nur an Israel orientieren. Kaldori ist Chefredakteurin des neuen jüdischen Monatsmagazins Wina, dessen dritte Ausgabe eben in Produktion geht.

Hinter Kaldoris Bestellung steht der größte mediale Umbruch in der jüdischen Nachkriegsgemeinde: Mit der Juni-Ausgabe wurde die renommierte IKG-Zeitung Die Gemeinde nach 60 Jahren eingestellt. Schon zuvor war das Organ zweigeteilt worden - den Insider für Gemeindenachrichten und -termine und das inhaltliche Blatt. Den Insider gibt es weiterhin, auch er gehört zu den Aufgaben von Kaldori.

Gänzlich neu und weit geöffnet hin zur nichtreligiösen und auch nichtjüdischen Welt ist dann das jüdische Stadtmagazin Wina: "Jüdisch ohne Bekenntnis“ so lautet ein Beitrag in der November-Ausgabe, im "Dossier Erinnerung“ wird das jüdische Lebensthema auf seine Zukunftstauglichkeit abgeklopft. Dass schließlich im gleichen Heft zum Thema Israel die Freilassung von Gilat Shalit ebenso thematisiert wird wie die Sommerproteste in Tel Aviv, zeigt, dass die Eckpunkte Schoa und Israel auch weiter präsent sind. Wina löst aber den Anspruch eines urbanen Magazin voll ein.

Der Einstellung der Gemeinde und der Entwicklung von Wina gingen viele Diskussionen voraus. Ob sich das Projekt rechnet, ist die spannende Frage für die nähere Zukunft. Denn Wina ist kein offizielles Organ der IKG mehr. Mit März endet die Einführungsphase, in der alle Bezieher der früheren Gemeinde das neue Wina gratis erhalten. Danach wird sich die Lebensfähigkeit des durch und durch ambitionierten Projekts erweisen. Julia Kaldori jedenfalls ist überzeugt, dass das "junge“ Medium Zukunft hat.

Und dann noch "Nu“

Daneben gibt es weiter das viermal pro Jahr erscheinende Nu - Jüdisches Magazin für Politik und Kultur unter der Ägide des Psychoanalytikers Martin Engelberg und des ehemaligen Prokuristen des Jüdischen Museums Wien, Peter Menasse, das von bekannten Journalisten von Barbara Tóth (Falter) bis Rainer Nowak (Die Presse) gemacht wird (www.nunu.at).

Das Judentum dieser Stadt scheint - publizistisch - zurzeit lebendiger denn je.

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