"Nicht für Deutschland …“

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Der Doyen der Militärhistoriographie und ehemalige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, Johann Christoph Allmayer-Beck, feierte kürzlich seinen 95. Geburtstag.

"Die Geschichte läßt sich nicht durchs Guckloch betrachten. Wer ihrer habhaft werden will, muß weit und tief hinabsteigen, bis er zu dem gelangt, was zwar für die Oberwelt schon fast als tot gilt, weil es dem Tagesstreit entzogen ist, und was doch alles überdauert, weil es bereits der Geschichte angehört und in ihr geborgen liegt. Dazu zählt auch die alte k. u. k. Armee.“ Dieses Credo formulierte Johann Christoph Allmayer-Beck 1974 im ersten Kapitel seines großen Bucherfolges "Die K. (u.) K.-Armee 1948-1914“. Coautor war damals Erich Lessing, legendärer Meisterfotograf der Magnum-Gruppe, mit dem der Militärhistoriker noch zwei weitere Bände über die "Heere der Habsburger“ zu einer Trilogie zusammenführte.

Auf Schleuderkurs

Johann Christoph Allmayer-Beck wurde am 19. August 1918 als Sohn des Max Wladimir Allmayer-Beck (1876-1947) in Baden geboren. Sein Vater war wiederum der adoptierte Neffe des ehemaligen österreichischen Ministerpräsidenten Max Wladimir Freiherr von Beck (1854-1943). Somit ein gleichsam vorgezeichneter Lebensweg: Allmayer-Beck besuchte nach der Matura (1936 in Kalksburg) ab September 1937 die Theresianische Militärakademie, um Berufsoffizier im Ständestaat zu werden. Der "Anschluss“ Österreichs setzte seinen Lebensweg auf Schleuderkurs, als er im Herbst 1938 als Artillerie-Oberfähnrich nach Ostpreußen versetzt wurde. Im Kommandobereich der 21. Infanterie-Division überlebte er als Adjutant und später als Batteriechef in einem Artillerie-Regiment den Feldzug in Polen, sodann den Westfeldzug in Frankreich und schließlich, beinahe bis Kriegsende im Mai 1945, im Bereich der Heeresgruppe Nord das "Unternehmen Barbarossa“, den Überfall auf die Sowjetunion. Als Teilnehmer einer Generalstabsausbildung wurde der Artillerie-Hauptmann von US-Soldaten in der Nähe von Berchtesgaden gefangen genommen.

Seine Erinnerungen an die Kriegszeit hat Allmayer-Beck - entgegen seiner ursprünglichen Absicht - erst im Frühjahr 2013 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: "Meine Autobiografie lässt sich mit den grauenvollen Erlebnissen Ernst Jüngers ‚In Stahlgewittern‘ - aus dem 1. Weltkrieg - natürlich nicht vergleichen: Ich musste keine Stoßtrupps anführen, ich war in keine Nahkämpfe verwickelt; ja ich hatte in vier Kriegsjahren nicht einmal eine schwerere Verwundung erlitten“, erzählte er im Juni 2013 bei einer Buchpräsentation in Wien. "War es ein Zufall? Ich glaube nicht an Zufälle. Da war schon eine besondere Gnade und ein Segen ‚von Oben‘ mit dabei …!“

Eine Bemerkung, die seinen Erinnerungen den Titel gab, bezieht sich auf eine Episode 1941 an der Ostfront: Der Autor begegnet einem schwerverwundeten Rotarmisten. Als er einen Unteroffizier der Begleitmannschaft anfährt, warum dieser Mensch nicht ärztlich versorgt werde, antwortet der biedere Ostpreuße - nicht realitätsferne: "Herr Oberleitnant, det lohnt doch nicht!“ Dieser Ausspruch wurde für Allmayer-Beck zum Sinnbild seines eigenen Schicksals in jenen Jahren.

Dieses Buch - basierend auf Tagebuchnotizen und Briefen - gilt als ein Vermächtnis des Autors im Sinne einer erst zögerlich in ihm gereiften Erkenntnis: "… denn nicht für Deutschland haben wir gekämpft, sondern für Adolf Hitler und seine Wahnideen!“

Längstdienender HGM-Direktor

Das Bemerkenswerteste an diesem wohl einzigartigen Zeitdokument: Der Autor tritt von der "gesicherten“ Perspektive des Militärhistorikers zurück und überlässt als "Alter Ego“ seinem früheren Ich, dem blutjungen, sicherlich auch etwas naiven Artillerieoffizier, das Wort. Im Klartext: Allmayer-Beck verzichtet ganz bewusst auf eine nachträgliche Rechtfertigung oder gar Beschönigung seiner damals in der aristokratisch-bürgerlichen Gesellschaft durchaus üblichen Anschauungen zu Krieg und nationaler Selbstbehauptung.

Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft studierte Allmayer-Beck an den Universitäten Innsbruck und Wien Geschichte. 1950, ein Jahr nach der Promotion, wurde der Herr Doktor "aus gutem Haus“ Archivar im Wiener Kriegsarchiv, rund zehn Jahre später Leiter der Militärwissenschaftlichen Abteilung des Verteidigungsministeriums. Dem folgte ein Karrieresprung, den er schon oft als einen Höhepunkt seines Berufslebens bezeichnet hatte: Er wurde 1983 Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums. Mit einer Dienstzeit von rund 18 Jahren wurde er der am längsten dienende Direktor in der rund 300-jährigen Geschichte des Hauses.

Unter seiner Leitung wurde das HGM in wesentlichen Bereichen umorganisiert und auf den letzten Stand der Forschung gebracht. Durch solide Erarbeitung der dargestellten Themen entstand eine Art "Gesamtkunstwerk“, wie es dem Niveau des Heeresgeschichtlichen Museums als einem der weltweit ältesten und bedeutendsten Museen entsprach.

Geschichte sichtbar machen

Ganz bewusst sah Allmayer-Beck das HGM nicht als Heimstätte einer erstarrten Traditionspflege: "Die Tradition selbst muss draußen gepflegt werden - drinnen muß die Geschichte des österreichischen bzw. kaiserlichen Heeres sichtbar gemacht werden - einschließlich der oft vernachlässigten Elemente von Kultur und Sozialem“, wie Erwin Schmidl in einer Würdigung aus Anlass des 85. Geburtstages festgehalten hat.

Durch seine zahlreichen militärischen Fachbücher und ebenso zahllosen Zeitungsartikel und Denkschriften hat Johann Christoph Allmayer-Beck wesentlichen Anteil an der wachsenden Bedeutung und wissenschaftlichen Vertiefung der Militärgeschichtsschreibung in Österreich nach 1945.

"Herr Oberleitnant, det lohnt doch nicht!“

Kriegserinnerungen an die Jahre 1938 bis 1945

Von Johann Christoph Allmayer-Beck

Böhlau Wien - Köln - Weimar 2013, 559 S., geb., 39,-

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