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Denkmal für die große Schweigerin

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Eines der schönsten Wiener Museen ist das Heeresgeschichtliche Museum im Arsenal. In ihm ist die ganze Geschichte der. kaiserlichen Armee zu sehen, die ja auf weiten Strecken europäische Geschichte darstellt. Dieses Museum, das durch den Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde, wurde durch die Tatkraft des ersten Direktors nach diesem Krieg, General Pühringer, wieder im alten Glanz erneuert. Und glücklicherweise ist der heutige Direktor, Hofrat Dr. Johann Christoph Alimayer-Beck, sicherlich der beste Mann, dem Österreich dieses einmalige Museum anvertrauen konnte. Hofrat Dr. Allmayer-Beck, Absolvent der Maria-Theresianischen Militärakademie und Absolvent des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, Großneffe des berühmten Ministerpräsidenten Max Vladimir Freiherr von Beck, der dank der Unterstützung Kaiser Franz Josephs in Österreich das allgemeine Wahlrecht einführte, bringt somit durch seine Studien und seine Abstammung alle Voraussetzungen mit, dieses Museum in bester Tra- diti«n weiterzuführen (obwohl ihm der österreichische Staat sicherlich sehr wenig materielle Mittel zur Verfügung stellt). Nun hat Allmayer-Beck zusammen mit Professor Erich Lessing ein Prachtwerk über die kaiserliche Armee von 1848 bis 1914 herausgebracbt. Das Werk erschien (in Großformat) im deutschen Verlag Bertelsmann. Man ist fast versucht zu sagen: glücklicherweise. Wäre dieses Buch in einem österreichischen Verlag herausgekommen, dann wäre es beim deutschen Sortiment auf eine ähnliche Ablehnung gestoßen wie fast alle Bücher, die österreichische Themen behandeln, auch wenn es sich dabei um europäische Themen dreht. Bertelsmann, bekanntlich Deutschlands größter Verlagskonzern, hat einen derart gigantischen Vertriebsapparat, daß er auch ein solches Buch in Deutschland in großer Anzahl an den Mann bringen kann. Eine große Auflage verbilligt den Preis. Und tatsächlich kostet dieses Werk, trotz seiner prachtvollen Ausstattung, nicht einmal 600 Schilling. Schon beim ersten Durchblättem gehen dem Leser die

Augen über angesichts der Pracht der vielen größtenteils farbigen Bilder, ist der Leser entzückt über die schönen alten Photos, die er sieht und auch über das hervorragende Layout (wie man im Zuge der Ame- rikanisierung der deutschen Sprache jetzt den „Umbruch” eines Buches nennt). Die Farbenprächtigkeit der kaiserlichen Armee und die Eleganz der einfach geschnittenen Uniformen wird dem Leser immer wieder vor Augen geführt. Glücklicherweise befindet sich am Ende des Buches auch eine genaue Aufzählung des „Farbkastls” der kaiserlichen Armee, wie man die Egalisierungen am Kragen nannte. Daraus ersieht man, daß die kaiserliche Armee zwei verschiedene Grau, fünf verschiedene Grün, drei verschiedene Gelb und zehn verschiedene Rot kannte. In |ein geschliffenen Worten vermag Alknayer-Beck Glanz und Tragik der kaiserlichen Armee von 1848 bis 1918 darzustellen. Diese Armee hatte drei Glanzzeiten hinter sich: das Zeitalter des Prinzen Eugen, das Zeitalter eines Erzherzog Karl und Fürsten Schwarzenberg, das Zeitalter eines Radetzky. In der Zeit von 1848 bis 1918 mußte diese Armee drei unglückliche Kriege durchkämpfen: 1859, 1866 und schließlich den Ersten Weltkrieg. Die Kriege 1859 und 1866 waren militärisch verloren, wären aber politisch noch zu gewinnen gewesen, und das gleiche gilt vielleicht auch für den Ersten Weltkrieg. Sie wurden verloren, da das Habsburgerreich immer viel zu geringe Mittel zur Verfügung stellte, um gute Waffen und entsprechende Ausbildung zu ermöglichen. Aber die Aufgabe dieser Armee war es, zumindest von 1850 bis 1914 in erster Linie nicht ein Instrument für Angriffskriege zu sein, die die Habsburgermonarchie ohnedies nie führte, sondern ein Instrument der Verteidigung und Bewahrung der Monarchie und ein Instrument des Kaisers, auf das er sich unbedingt verlassen konnte. Allmayer-Beck sagt sehr richtig, daß die k. u. k. Armee die letzte große Reichspartei war, die die Monarchie besaß und in der faktisch wirklich alle Völker sich zu Hause fühlten. Er zeigt auch sehr richtig auf, daß Franz Joseph, der zwar fast immer Uniform trug, gar kein richtiger Militär war, wie er auch vielfach kein guter Politiker war, aber dafür, wie alle Lothringer, ein hervorragender Verwaltungsfachmann, dem es gelang, auf diesem Weg aus der Armee eine Insti tution zu schaffen, die unbedingt an die Existenz der Monarchie glaubte und tatsächlich auch noch für sie kämpfte, als diese gar nicht mehr bestand. Die österreichische Öffentlichkeit, aber auch alle, die sich für große europäische Geschichte Interessieren — und die Geschichte der kaiserlichen Armee ist europäische Geschichte — werden mit tiefer Dankbarkeit für den Autor und den

Schöpfer des Bildteils dieses Buch aus der Hand legen. Die große Schweigerin — wie die kaiserliche Armee genannt wurde — hat ein einmaliges Denkmal erhalten.

DIE K. (U.) K. ARMEE 1848—1914. Von Allmayer-BeckfLessing. Verlag Bertelsmann, München. 255 Seiten, 234 vielfarbige Abbildungen.

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