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„Diese herrliche Monarchie“

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IM DIENSTE DES ALTEN ÖSTERREICH. Von Robert Ehrhart. Herausgegeben von Anton Sperl-Ehrhart. Bergland-Verlag, Wien. 420 Seiten

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IM DIENSTE DES ALTEN ÖSTERREICH. Von Robert Ehrhart. Herausgegeben von Anton Sperl-Ehrhart. Bergland-Verlag, Wien. 420 Seiten

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Roberto Farinacci, faschistischer Politiker, Verfasser der offiziösen „Istoria della rivoluzione fascista", Gegner der Habsburgermonarchie, mußte dennoch in seinem Werk zugeben, daß die österreichische Verwaltung in Italien die gerechteste war, die dieses Land je erlebt hatte. Aehnlich äußerte sich einmal Pius X. zu dem k. u. k. Botschafter. Aehnlich lauteten aber auch die Urteile seitens der anderen Nationen der alten Monarchie. Im Staate Masaryks konnte man zum Beispiel in den ersten Jahren nach 1918 die kleinen (tschechischen) Leute bei Uebergriffen der Behörden sagen hören: „Unter dem alten Oesterreich wäre so etwas nicht möglich gewesen.“ Die Beurteilung, die gar die jugoslawische Verwaltung in Dalmatien und Bosnien nach dem ersten Weltkrieg seitens des Volkes fand, kann wegen der dabei verwendeten drastischen Ausdrücke nicht wiedergegeben werden.

Wer das vor kurzem erschienene Erinnerungsbuch des ehemaligen k. k. Sektionschefs Robert Freiherr von Ehrhart liest, wird begreifen, worin das Geheimnis dieser einzigartigen Verwaltung bestand. Denn aus jeder Zeile, jeder Seite dieses Buches spricht der Geist und die Stärke dieser Bürokratie, deren Wesensmerkmale vor allem äußerste Gerechtigkeit, strengste Pflichterfüllung (ständig ausgerichtet nach dem Vorbild Kaiser Franz Josephs, dieses besten und gerechtesten Verwaltungschefs seiner Monarchie), Milde, Menschlichkeit, gepaart mit Sachkenntnis und Humor und einer umfassenden Bildung, waren. So kann man den Verfasser ruhig als ein Prototyp eben dieser Bürokratie bezeichnen.

Robert Freiherr von Ehrhart entstammte einer vorderösterreichischen Familie, die somit aus einem Lande kam, das der Habsburgermonarchie viele bedeutende Beamte, Gelehrte und Militärs geschenkt hatte, und das aufgegeben zu haben, einer der bedeutendsten Fehler des sonst so klugen Metternich war, der nie mehr gutgemacht werden konnte. (Ebenso wie der Verzicht auf Belgien und die Kaiserkrone.) Ehrhart war aber auch ein Großneffe des berühmten Publizisten Hormayer und ein direkter Neffe Carls Freiherr von Torresani, Ulanenrittmeisters und Dichters leider allzusehr vergessener österreichischer Soldatenlieder. (Die „Oesterreich- Bücherei" des Bergland-Verlages hat verdienterweise ein kleines Buch über Torresani herausgegeben.) Bei diesen „Belastungen“ ist es nicht verwunderlich, daß

Ehrnart .nicht .nur ein nenfoijagejjaef, Beamter, ,son-

dern auch ein ebenso hervorragender Stilist war

(leider „war“, denn Ehrhart starb 1956).

Der Verfasser trat 1893 in den Dienst der niederösterreichischen Statthalterei, wurde dann ins

Unterrichtsministerium versetzt und schließlich ins Ministerratspräsidium transferiert, wo er es bald zum k. k. Sektionschef brachte, mit welchem Rang er am 11. November 1918, erst 48jährig, in den Ruhestand trat, da er nicht in der neuen Republik weiterdienen wollte, obwohl ihn Karl Seitz gerne als Kabinettsdirektor gehabt hätte. Nur durch ein Mißverständnis wurde ihm nicht auch noch die Würde eines Geheimen Rates verliehen. Nach dem Krieg war Ehrhart an leitender Stelle im Industriellenverband tätig und verfaßte sehr gute — Kriminalromane. Das vorliegende Buch schildert aber nur die 25 jährige Tätigkeit des Verfassers als k. k. Beamter und schließt mit dem 11. November 1918.

Wieder ziehen, wie bei all den österreichischen Erinnerungsbüchern, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten erschienen, vor dem Leser die letzten Jahre der habsburgischen Großmacht vorüber, geschildert aus der Perspektive eines ihrer höchsten Beamten. Alle Personen, die in diesen Jahren eine politische Rolle spielten, treten auf: Kaiser Franz Joseph und Kaiser Karl (der wie überall in der neueren Literatur als ein bedeutender politischer Kopf gezeichnet wird), die Ministerpräsidenten Beck, Koerber, Gauß, Hohenlohe, Badeni, Bienerth, Seidler, Lammasch, die ungarischen Ministerpräsidenten Tisza, Khuen und Weckerle, der Außenminister Berchtold (sein merkwürdiges Verhalten im Juli 1914 erhält eine sehr plausible Erklärung), Conrad (in der Beurteilung seiner Person kann sich der Verfasser nicht einer gewissen Skepsis enthalten). Sieghart (der sehr gerecht beurteilt wird), Seipel (dessen mutiges Verhalten am 11. November 1918 — er hätte die Nerven gehabt, für die Erhaltung der Monarchie zu kämpfen — besonders hervorgehoben wird). Der Kampf um das allgemeine Wahlrecht rollt fb, das oft würdelose Verhalten des Reichsrates, die merkwürdigen politischen Methoden der Madjaren, der Nationalitätenkampf (die Tschechen, besonders Kramaf, erhalten eine sehr gute Note).

Wehmütig legt der Leser das Buch aus der Hand. Wehmütig, weil er wieder einmal „diese herrliche Monarchie“ (wie sie Prinz Eugen genannt hatte) erleben konnte, wehmütig, weil er weiß, daß diese Zeiten endgültig vorbei sind, wehmütig, weil er auch aus diesem Buch die Gewißheit bekommt, daß die Monarchie nicht hätte zugrunde gehen müssen.

Verlag und Herausgeber haben sich mit der Ver- öflentlichung dieses Buches ein großes Verdienst erworben. Es ist zu hoffen, daß dieses Werk in die Hände vieler Oesterreicher gelangt, nicht nur der alten, sondern auch der jungen Generation.

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