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300 und „Tausend Jahre“

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Vier Jahre haben Verlag und Autoren an dem Werk „Unser Heer“ gearbeitet. Ein Vorwort, des Bundesministers für Landesverteidigung hebt es aus dem Rahmen privater Publikationen heraus. Auch die Mitarbeit einer Reihe von Offizieren und Beamten des Bundesheeres zeigen das hohe Interesse, das man an zuständiger Stelle der österreichischen Landesverteidigung für diese Publikation bekundet. Um so mehr wird sie im In- und Ausland aufmerksame Leser finden, die ihr militärhistorisches Wissen einerseits bereichern möchten, anderseits aber auch Auskunft über eine Standortbestimmung österreichischen Soldatentums in der Gegenwart erhalten möchten. Diesen beiden Gesichtspunkten wird auch eine gewissenhafte Kritik Rechnung tragen müssen.

Unter dem Doppeladler

Sie möchte bei dem Erfreulichen beginnen. Wenn man das stattliche Buch aufschlägt, fällt das Auge auf die erste Farbtafel. Sie zeigt die Leibfahne eines österreichischen Infanterieregimentes, wie sie Kuppelwieser malte. Von den charakteristischen Flammen umrahmt, steht auf weißem Seidentuch das Bild der Immaculata. Besser, als Worte es auszudrücken vermögen, schlägt dieses Bild den großen Bogen in die Vergangenheit, zurück zu den Ursprüngen der österreichischen Armee: Damals, als die „Kaiserlichen“ im Dreißigjährigen Krieg mit dem Kampfruf „Jesus Maria“ ihren Gegnern widerstanden. Der österreichische Soldat von 1963 ist also kein geschichtsloses Wesen. Er hat Ahnen, deren Erbe ihm Verpflichtung ist. Für dieses Bekenntnis muß man dankbar sein. Es war nicht zu allen Zeiten selbstverständlich. Dankbar aber muß man auch den Autoren sein, die den Weg des österreichischen Soldaten durch die Jahrhunderte herauf bis in unsere Gegenwart in ebenso sachkundigen wie interessanten, ja, man möchte beinahe sagen, spannenden Darstellungen erläutern.

Dr. Walter Hummelberger macht mit seinen beiden Aufsätzen über den Dreißigjährigen Krieg und die Türkenkriege den Anfang. Gustav Adolph-A uffenberg-Komarow untersucht das Zeitalter Maria Theresias. Univ.-Ptof. DDr. Oswald Gschließer beleuchtet die Koali-tions- und Befreiungskriege, Oberst außer Dienst Dr. Johann Blumenthal verdanken wir die Darstellung über das ereignisreiche Jahrhundert vom Wiener Kongreß bis zu den Schüssen von Sarajewo, und Gustav Stöckele beschloß den dem kaiserlichen Heer gewidmeten Teil mit einem Aufsatz über den Weltkrieg 1914 bis 1918. So viele Autoren, so viele Temperamente. Dennoch fügen sich ihre Beiträge nahtlos aneinander.

Der Zapfenstreich für die kaiserliche Armee war aber nicht das Ende österreichischen Soldatentums. Ein neues Kapitel wurde nun in einem Buch aufgeschlagen, an dem wir alle noch heute mitschreiben. Dieses erste Kapitel des neuen Buches hat sich Univ.-Doz. Dr. Ludwig J e d 1 i c k a, den der Verlag als wissenschaftlichen Berater gewinnen konnte, selbst vorbehalten. Es ist für ihn kein Neuland. Was er über „Politische Parteien, Heer und Staat in Österreich 1918 bis 1938“ schreibt, ist eine komprimierte, auf engen Rahmen zusammengedrängte Darstellung der Untersuchung über ein „Heer im Schatten der Parteien“, dem der Leiter des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien bekanntlich ein eigenes, viel beachtetes Buch („Furche“, 24. Dezember 1955) gewidmet hat.

Fremde Fahnen

Wir nähern uns einer Gewitterzone. 1938 werden die rotweißroten Fahnen heruntergeholt. Österreich selbst von der Landkarte gelöscht, seine Söhne in die Deutsche Wehrmacht eingezogen. In ihren Reihen ziehen sie in den blutigsten aller bisherigen Kriege. 230.000 kommen aus ihm nicht wieder heim.

Wie wird dieser Opfergang unter fremden Fahnen in einem Buche dargestellt, das sich zum Ziele gesetzt hat, eine „Summe“ österreichischen Soldatentums zu ziehen, und dessen offiziösen Charakter wir eingangs gezeichnet haben? Es ist naheliegend, daß sich das Interesse auf die Bewältigung dieser Aufgabe konzentriert. Und wir sind sicher, wir stehen mit demselben nicht allein. Da ist zunächst eine Arbeit von Dr. Fritz Wiener über den „Zweiten Weltkrieg in waffentechnischer Schau“. Fachlich sauber, instruktiv und materialgesättigt. Aber was soll eine waffentechnische Fachstudie über deutsche Sturmgewehre, russische Granatwerfer und amerikanische Panzer in einem Werk, dem doch seiner ganzen Anlage nach eine ganz andere Aufgabe gestellt ist? Das Kapitel ist somit ein Fremdkörper — wenn nicht ein Ausdruck der Verlegenheit.

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