Olympische Sauereien
Die Einwohner Rios sind die Verlierer der olympischen spiele. Die großen Gewinner sind die Banken und Investoren - Politik und Big Business arbeiten Hand in Hand.
Die Einwohner Rios sind die Verlierer der olympischen spiele. Die großen Gewinner sind die Banken und Investoren - Politik und Big Business arbeiten Hand in Hand.
Das australische Olympiateam legte den Finger auf die Wunde, als es den Einzug ins olympische Dorf von Rio verweigerte. Kaputte Sanitäranlagen und verstopfte Klos wollten die Athleten nicht hinnehmen. Andere Teams ließen auf eigene Kosten Installateure und Anstreicher kommen, um akzeptable Quartiere vorzufinden. Das dürfte alles harmlos sein, verglichen mit den Bedingungen, die die Segler und Surfer erwarten. In der Guanabara- Bucht, wo die Bewerbe stattfinden sollen, trieben kurz vor Beginn der Spiele noch Flaschen, Plastiksackerl und tote Ratten auf dem matschigen Wasser. Täglich werden 650 Millionen Liter ungefilterter menschlicher Ausscheidungen in die Bucht gespült.
Falsche Versprechungen
In der Olympiabewerbung hatten die Stadtväter versprochen, bis 2016 mehr als 80 Prozent der Abwässer, die in die Bucht fließen, durch eine Filteranlage zu schleusen. Ein ehrgeiziger Plan, der inzwischen das Zieldatum 2035 bekommen hat. Associated Press hat mit dem Virologen Fernando Spilki von der Feevale University bei Porto Alegre das Wasser untersucht und festgestellt, dass die Wassersportler Gefahr laufen, sich während der Wettbewerbe Erkrankungen der Atemwege und des Verdauungstraktes zuzuziehen, "einschließlich explosiver Diarrhö und Erbrechens", die Hirn und Herz schädigen können. Brad Brooks, der ehemalige Büroleiter von AP in Rio spricht in der New York Times von einem "Umweltverbrechen".
Die Cariocas, wie sich die Einwohner von Rio nennen, sind diesen Umweltverbrechen schon lange ausgesetzt und werden es noch sein, wenn der olympische Zirkus längst vorbei ist. Ärzte, die Menschen in den Favelas betreuen, gehen davon aus, dass 40 Prozent der von ihnen behandelten Krankheiten mit den ungefilterten Abwässern zusammenhängen. Die medizinische Fachzeitschrift The Lancet berichtet, dass bei Brasiliens Kindern unter fünf Jahren Durchfälle die zweithäufigste Todesursache sind. Sie töten täglich mehr Kinder, als AIDS, Malaria und Masern zusammen.
Rios Bürgermeister Eduardo Paes rief das Programm Morar Carioca (Carioca Leben) ins Leben, das als nachhaltiges Vermächtnis der Olympischen Spiele die Favelas der Metropole sanieren, mit Kanalisation, Trinkwasser, gepflasterten Straßen und Straßenbeleuchtung ausstatten sollte. Bis 2020, so versprach er vor den Kommunalwahlen 2012, würden alle Favelas "komplett urbanisiert" sein. Nach seiner Wiederwahl war davon keine Rede mehr. Morar Carioca hat kaum mehr Budget und die Verträge mit den Architekturbüros wurden aufgelöst.
Für die Errichtung der Sportstätten und Infrastruktur rund um die Olympischen Spiele sind mindestens 77.000 Menschen zwangsweise umgesiedelt worden. Sie sind die Verlierer des Megaevents, denn zu ihren Arbeitsplätzen müssen sie jetzt lange zeitraubende Wegstrecken zurücklegen. Zu den Gewinnern zählen hingegen die Banken, die für Spekulationsgeld hohe Zinsen kassieren, und private Investoren, die mit der Aufwertung von Grundstücken satte Gewinne machen. Politik und Big Business arbeiten da Hand in Hand.
Schmutzige Geschäfte
Als besonders dreistes Beispiel der Privatisierung öffentlichen Eigentums beschreibt Jules Boykoff, Autor des Buchs "Power Games: A Political History of the Olympics", den Bau eines neuen Golfplatzes. Rio hat bereits zwei Golfplätze und würde damit die Bedingungen für das erste olympische Golfturnier seit 1904 erfüllen. Bürgermeister Paes hat aber entschieden, einen zusätzlichen Platz in unmittelbarer Nähe der Wettkampfarenen in Barra da Tijuca zu errichten. Das freut die Bewohner dieses im Westen der Stadt gelegenen Nobelvororts, bedroht aber geschützte Tiere im Marapendi Naturreservat, in das der Golfplatz teilweise hineingebaut wird. Der Immobilienmilliardär Pasquale Mauro muss diese olympische Stätte mit 20 bis 30 Millionen US-Dollar aus dem eigenen Säckel errichten, bekam aber dafür den Zuschlag für den Bau von 140 Luxusappartments gleich daneben. Die werden pro Stück zwischen zwei und sechs Millionen Dollar kosten. Kein schlechtes Geschäft also für den Bau-Tycoon. Kein Wunder, dass in der Bevölkerung die anfängliche Begeisterung für Olympia drastisch gesunken ist. Waren 2011 noch 63 Prozent der Meinung, sportliche Megaevents würden der Stadt nützen, so glaubten Ende 2015 nur mehr 27 Prozent, dass die Allgemeinheit davon profitieren kann.