Das ist die Angst, seine Kinder freizulassen”, deutet der Wiener Psychoanalytiker und Publizist Wilfried Dahn die restaurati-ven Tendenzen einiger Repräsentanten der heutigen Kirche, um auch gleich ans Eingemachte zu gelangen: „Angst, die ihre Ursache in der Schwäche im Glauben hat.”
Diese Angst, unterzugehen, „wie ein Professor, der nichts kann, auch Angst vor seinen klügeren Assistenten hat”, ist es nach Ansicht des auch in kirchlichen Fragen engagierten Psychologen, die manche Kirchenmänner daran hindere, „Macht und eben auch Vertrauen nach unten zu gewähren”. Dasselbe Vertrauen vielleicht, das die Kirche „jetzt, wo soviel in Frage gestellt wird, eben braucht, um das alles durchzustehen”. Dabei sei, so Daim, die gefürchtete Freiheit doch ein höchst produktives Element und schaffe erst die „Möglichkeit zur Wahrheit”. Viele Errungenschaften in der Kirche, wie etwa das Selbstbewußtsein der Laien, seien im übrigen ohnedies irreversibel.
Weil aber die Personalauswahl in der Kirche primär vom Gehorsam ausgehe, „fuhrt das zum Infantilismus”. Dem hält Daim als Erziehungsideal - auch in der Kirche -den „selbständigen Menschen” entgegen. „Eigenständiges Initiativge-wissen anstelle des Gehorsamsgewissens”, diese Forderung der kon-ziliaren Aufbruchsbewegung sei heute wieder aktueller denn je.
Wilfried Daim, der gemeinsam mit Friedrich Heer und August M. Knoll vor mehr als 30 Jahren das damals vieldiskutierte und denkwürdige Manifest „Kirche und Zukunft' verfaßte und darin vehement eine „Rückkehr zur Brüderlichkeit” in der Kirche forderte und für ihre „Entfeudalisierung” (Abschaffung von Papstkrone, Kniefall und anderer Zeremonielle) ebenso wie für die Wahl der Bischöfe durch die Gläubigen plädierte, kommt zur Bilanz: Vieles davon ist bisher in Erfüllung gegangen, doch die entscheidenden Forderungen seien noch offen. Dazu zählt Daim die Abschaffung des Zölibats für den Weltklerus und die Zulassung der Weihe von Frauen - „damit die Kirche überhaupt wieder Kleriker bekommt”.
