Salieri schlägt Mozart

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Das Erfolgsstück "Amadeus" von Peter Shaffer am Volkstheater: Ein Vorausblick auf das Mozart-Jahr - und die kommende Intendanz.

Es war dringend an der Zeit, nach so vielen Jahren wieder eine Inszenierung von Piet Drescher in Wien zu sehen. Der ostdeutsche Regisseur hat zu Beginn der neunziger Jahre mit seiner außergewöhnlichen "Dreigroschenoper" und der Inszenierung von Elfriede Jelineks "Krankheit oder Moderne Frauen" das Volkstheater aus seinem Dornröschen-Schlaf gerissen - wie auch jetzt wieder mit "Amadeus".

Ein wenig frühzeitig leitet das Volkstheater das MozartJubiläumsjahr 2006 ein: Peter Shaffers international erfolgreichem Stück folgt im November die Uraufführung von Franzobels "Mozarts Vision". Dramatische Antriebsfeder ist die Suche nach Genialität und Perfektion. Thema ist die subversive Kraft der Kunst, die von der damaligen (und auch heutigen) Kulturpolitik verkannt und repressiv behandelt wurde.

Leichtigkeit der Regie

Shaffers Mozart-Krimi (vor allem auch bekannt durch die oscargekrönte Verfilmung von Milos Forman) basiert auf einem klugen dramaturgischen Trick: Aus der Perspektive des Konkurrenten Antonio Salieri erzählt, macht es den Zuschauer zum verbündeten Beobachter einer unaufhaltsamen Künstlerkatastrophe. Toni Böhm spielt den eigentlichen Protagonisten: Salieri, der eine Art Faust'schen Pakt eingeht und ein lukullisches Leben für die Gunst der Muse opfert. Aber sein Gott, scheint's, ist gnadenlos und stattet ein undiszipliniertes, chaotisches Wolferl-Kind voll obszöner Gedanken mit jener Genialität aus, die sich über Gesetze und Regeln zu erheben vermag.

Die Regie betont den inneren Konflikt Salieris, der schließlich Gott den Krieg erklärt und systematisch Mozarts Karriere zerstört. Toni Böhms starrköpfiger, bodenständiger Salieri erdet die verspielte Inszenierung, deren Leichtigkeit Chris Pichler als Constanze aufnimmt, die selbst schon lange nicht mehr so gut zu sehen war. Der auch an der renommierten Berliner Kunsthochschule Ernst Busch lehrende Piet Drescher versteht es, seine Leute zu führen und im Ensemblespiel zu vereinen: Mit Günter Wiederschwinger und Rolf Schwab als Nachrichtenzuträger treten klassische Brecht-Kommentatoren auf, Georges Kern zeigt einen Josef II., dessen Innovationen an der restriktiven Hofetikette zerbrechen müssen.

Wolferl auf tönernen Füßen

Nur Titelheld und Publikumsliebling Karl Markovics bleibt blass und verzappelt seinen Amadeus-Clown, von dessen ungezähmter genialer Kraft nichts zu spüren ist. So springt der Funke von Dreschers subtiler Regie der ambivalenten Vorgänge nicht immer über, denn Markovics ist sichtlich an die Arbeit mit der Kamera gewöhnt. Aber Theater ist dreidimensional. Und so kommt die Leichtfüßigkeit der Commedia-dell'arte-lazzi mit Markovics auf tönernen Füßen daher, während Böhms Komponist des Mittelmaßes zu einem spritzigen Pantalone aufblüht. Mit Helmut Stürmers sparsamer, braver Bühne, deren symbolbeladene Eckpfeiler ein Klavier, Salieris Ohrensessel und eine Bühne auf der Bühne sein müssen, weiß Drescher einfallsreich umzugehen, auch wenn seine ungebrochene Kreativität an der Volkstheater-Infrastruktur zu ersticken scheint.

So kommt "Amadeus" vielleicht doch nicht zu früh, denn eben ist die neue künstlerische Leitung für das Volkstheater ausgeschrieben. Es ist zu hoffen, dass sich für diese Position ein Theatervisionär im Format eines Mozart finden wird, damit die Mittelmäßigkeit à la Salieri nur im Stück siegt.

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