Schwere Fouls und falsche Toleranz

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Nein, ich bin kein Fußballexperte. Aber gerade für Laien auf diesem Gebiet gab es in den letzten Wochen einiges zu lernen. Etwa, dass sogar Wetten darauf abgeschlossen wurden, ob Herr Suarez aus Uruguay am Spielfeld wieder zubeißen würde. Nun, er hat. Woraufhin ein Norweger das 175-fache seines Wett-Einsatzes einstreifen konnte. Schon wenige Tage danach ließen sich auf Ebay Nussknacker mit dem Suarez-Konterfei zu wohlfeilen sechseinhalb Pfund erwerben. Der bissige Star wurde strafhalber für vier Monate gesperrt und vor wenigen Tagen gegen eine Ablösesumme von kolportierten 92 Millionen Pfund von Manchester United an Barcelona weiter verkauft. Irrationale Bonusregeln gibt es also nicht nur im Investmentbanking.

Und wie im richtigen Wirtschaftsleben zeigte sich auch am grünen Rasen, dass gerade die ganz großen Fouls nicht selten ungeahndet bleiben.

Erhielt doch der Kolumbianer Juan Zuniga nicht einmal eine gelbe Karte, geschweige denn eine Sperre dafür, dass er den brasilianischen Stürmerstar Neymar durch eine aggressive Knie-Attacke auf dessen Rückgrat lebensgefährlich verletzte. Der Überfall blieb ohne jede Sanktion. Der offizielle Kommentar des Welt-Fußballverbandes FIFA dazu lautete lapidar: "Diese Art von Vorfällen sind Teil des Fußballs und müssen mit Ruhe und Toleranz hingenommen werden“.

Auch manche Fernsehkommentatoren zeigten für meinen Geschmack zu viel der Ruhe und missverstandenen Toleranz gegenüber offensichtlich unfairen Spielweisen. Sie lobten die Tüchtigkeit von Verteidigern, die gegnerische Angriffe mit regelwidrigem Körperkontakt unsanft stoppten, als heiligte nun auch schon im Spiel der Zweck jedes Mittel.

Zertrümmert und gedemütigt

Selbst faire Siege wurden oft medial umgedeutet. Als etwa der spätere Weltmeister im fulminanten Semifinalspiel Brasilien mit 7 zu 1 besiegte, übertrumpften sich tags darauf die Printmedien mit Negativ-Schlagzeilen: "Zertrümmert, gedemütigt, plattgewalzt, vorgeführt“ hätten die Deutschen ihre Gegner. Wer aber genau hinsah, stellte fest, dass die Sieger sichtbar bemüht waren, ihren Gegnern die Niederlage erträglich zu machen und sich die Spieler beider Mannschaften nach dem Match erschöpft und versöhnt in die Arme fielen. Wozu also die martialische Begleitmusik?

Vielleicht gelingt es nach dieser WM wieder, den Fußball im Dorf zu lassen. Denn wenn auch horrende Summen auf dem Spiel stehen, sollten doch wenigstens auf dem Spielfeld sportliches Geschick und Können absoluten Vorrang haben. Dass unfaire Praktiken und Regelverstöße oft ungeahndet bleiben, ist in der globalen Konkurrenz Realität. Aber bei den Schauturnieren der Völkerverständigung darf der blanke Utilitarismus einer "The Winner takes it all“-Mentalität nicht zur Regel werden.

Fairness, sozialer Zusammenhalt und Sportsgeist könnten Leitbilder für fairen Wettbewerb sein. Das funktioniert aber nur, wenn ihre Glaubwürdigkeit nicht durch den permanent mitlaufenden Subtext erschüttert wird, dass in Wirklichkeit ohnehin alles erlaubt wäre, solange nur keiner hinschaut.

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