Sex, Macht und Literatur

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Erica Jong präsentiert sich in einer Sammlung neuer Essays als anregende, brillante Denkerin.

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Erica Jong präsentiert sich in einer Sammlung neuer Essays als anregende, brillante Denkerin.

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Erica Jong, die mit ihrem erotischen Roman "Angst vorm Fliegen" Weltruhm erlangte und seither als feministisches Aushängeschild vermarktet und herumgereicht wird, erweist sich in ihrem neuesten Buch "Der Buddha im Schoß" als brillante Denkerin, vielseitige Schriftstellerin und präzise Formuliererin. In 24 Essays öffnet sie dem Leser neue Zugänge zu den Zusammenhängen zwischen Sex, Macht und Literatur, und zwar in unterhaltsamer und leicht lesbarer Form.

Die "passionierte Denkerin und Liebhaberin des Wortes" - so der ebenfalls wohlformulierte Klappentext - kommentiert in diesem "campe paperback" politische und gesellschaftliche Themen der neunziger Jahre. Hillary Clinton kommt dabei ebenso zum Zug wie ihre Gegenspielerin Monica Lewinsky, der Viagra-Boom fügt sich nahtlos in dieses Umfeld, und auch die Werke der Weltliteratur, die von der Autorin unter die Lupe genommen werden, sind in diesen Bereichen angesiedelt, wenngleich auf ungleich höherem Niveau. Wunderschön und aufschlußreich ist zum Beispiel der Text "Lolita wird 30". Erica Jong, die, wie schon erwähnt, selbst mit einem erotischen Roman die Gemüter sowie Aufsehen erregte, schildert eindrucksvoll, wie besessen Vladimir Nabokov vom Schreiben, seinen Themen und seiner sprachlichen Genauigkeit war. Jong macht mit ihren Ausführungen Lust aufs Lesen und führt ihr Publikum zum Kern von Nabokovs Literatur: "Humberts Besessenheit von ,Lolita' wurde mit vielen Dingen verglichen: mit der Besessenheit des Künstlers vom Schaffensprozeß, der Besessenheit des Schmetterlingsliebhabers von seinen Exemplaren, mit der Obsession des Exilierten von dem Gedanken, seine verlorene Heimat wiederzufinden (ein für Nabokov charakteristisches Thema). All dies trifft zu, und mehr noch. Doch letztlich bezieht das Buch seine Wahrheit daraus, daß es die Geschichte eines Mannes erzählt, den eine hoffnungslose Liebe zur Verzweiflung bringt."

Die berühmte Schreiberin setzt sich weiter mit der Frage "Was ist Sex-Appeal?" auseinander oder befindet sich "Auf der Jagd nach der verlorenen Potenz", auch das Thema Reisen wird gestreift, wenn sie über "Mein Italien" und "Venedig im besonderen" schreibt, und immer ist es vergnüglich. Daß alle Städte gleich und nur Venedig etwas anders ist, hat schon die Tante Jolesch gewußt. Auch Jong steigt mit dieser nicht gerade neuen Erkenntnis in ihre Geschichte ein: "Diese Stadt gleicht keiner anderen." Was folgt, ist allerdings sehr individuell und poetisch. Sie schreckt auch nicht davor zurück, Einblick in ihre Werkstatt zu bieten. In "Reifungen" beantwortet sie die Frage, wo die Gedichte herkommen. Wie bei einer Schwangerschaft sei da zuerst ein kleines Ding, das dann immer größer werde. Wie das geschieht, erzählt die 1942 inManhattan geborene Schriftstellerin anhand des Gedichtes "Der Buddha im Schoß". Um abschließend eine Hymne auf die Bedeutung der Literatur zu singen: Das Kind und das Gedicht sind für alle Zeiten ungleich geartet. Das Fleisch ist vergänglich. Wenn überhaupt etwas bleibt, dann sind es die Worte. Wir lernen sie und schreiten fort. In diesem Wissen schreiben wir, als hinge unser Leben davon ab: "Was es auch tut."

Der Buddha im Schoss - Über Sex, Macht und Literatur., Von Erica Jong Hoffmann & Campe, Hamburg 2000. 285 Seiten, Pb., öS 218,-/e 15,84

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