Tableau des Abschieds

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Die letzte Produktion der Ära Bachler am Wiener Burgtheater: "So leben wir und nehmen immer Abschied", ein vergnüglich-melancholischer Abend von Franz Wittenbrink.

Klaus Bachler, zehn Jahre lang Direktor des Wiener Burgtheaters, feiert Abschied in Raten. Nachdem er mit Carmen Brucic und ihren "Symmetrien des Abschieds" das ganze Haus ausgesuchten Abschiedsexperten geöffnet hat, hat er nun als letzte Produktion seiner Direktionszeit den ehemaligen Schauspielmusiker Franz Wittenbrink eingeladen, einen musikalisch-literarischen Abend zum Thema einzurichten. Der 1948 geborene Wittenbrink ist für Burgtheaterbesucher kein Unbekannter, hat er doch dortselbst in der musikalischen Satire "Pompes funèbres" schon die barocke Affinität der Wiener zum Jenseits untersucht oder in "Mozart Werke Ges.m.b.H." die schamlose Vermarktung Mozarts thematisiert.

Kunstvolles Potpourri

Auch diesmal hält der zweistündige Liederabend, was man von ihm erwartet. Wittenbrink reiht Popsongs, bekannte Schlager und Chansons, klassisches Liedgut lose aneinander, wobei er die Melodien mal verfremdet, sie ein anderes Mal zu einem kunstvollen Potpourri vermischt oder sie in einem für ihn typischen Crossover mit literarischen Texten verwebt und so zu einem ebenso vergnüglichen wie stellenweise melancholischen Tableau des Abschieds verdichtet. Dabei meidet er aber jede Verbindung zu Bachlers realem Abschied, vielmehr thematisiert er ihn als condition humain. Das menschliche Leben als eine unaufhörliche Abfolge von Abschieden: von Orten, Menschen, Illusionen, Projekten etc.

Die Szenerie spielt an einem Ort, dem der Abschied gleichsam eingeschrieben ist: im Wartebereich eines Flughafens (Bühne: Thomas Dreißigacker). In dieser von einer riesigen schrägen Glasfront begrenzten Transithalle, auf die es fast bis zum Schluss unaufhörlich regnet, als weinte der Himmel, begegnen wir zwölf mehr oder weniger einsamen Individuen, die in der Manier einer Nummernrevue nacheinander oder auch mal miteinander in Liedern von ihren Sehnsüchten, Ängsten, Abschieden, ihrer Unbehaustheit "erzählen". Da ist etwa der artig gescheitelte Jungwissenschafter im Trachtensakko (Markus Meyer), der sich kaum von seiner Rolle als Sohn verabschieden darf, aber dennoch von einer fröhlicheren Wissenschaft träumt, nämlich von "Mexico, da hau ich den Mädchen auf den Popo".

Da ist auch der unablässig mit Notebook oder Handy beschäftigte Businessman (Juergen Maurer), der nicht nur auf üppige Geschäfte, sondern, weg von der Familie, ebenso auf erotischen Gewinn hofft, oder eine stille schwarze Witwe, ein blutjunges Mädchen mit Geigenkasten, in dem sich nur eine Trillerpfeife befindet, oder der Pilot (Bernd Birkhahn), der aus Liebe zu "The Next Whiskey Bar" eben sein Grounding erlebt hat und von Jandls Amsel singt, "das müsst ein wahrer vogel sein / dem niemals fiel das landen ein", ein ganz harter Edelrocker, der auf seinem T-Shirt die nicht ganz jugendfreie Aufschrift trägt "It's not gonna suck itself" und trotzdem in herzerweichendem Jammerton "Don't let me down" fleht.

Süßlicher Nachgeschmack

Und selbstverständlich begegnen wir auch dem arbeitenden Flughafenpersonal, der Security "I'm watching you" oder einer wienerischen Putzfrau (Ulli Fessel), die auf keinen Flug hoffen darf, aber vielleicht durch "ein Schiff wird kommen" sich von ihrem subproletarischen Milieu verabschieden darf, oder dem Fensterputzer, der klassenkämpferische Töne anstimmt.

So ist die letzte Produktion unter Bachler ein richtiger Wittenbrink-Abend, der sich ein wenig anfühlt wie eine Windbäckerei: Man genießt sie, aber man wird nicht satt. Es bleibt allein der süßliche Nachgeschmack.

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