Trainingsobjekt Ziege

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„Männer, die auf Ziegen starren“, „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“: zweimal beklemmend-gelungene Auseinandersetzungen mit dem Irakkrieg.

Die Idee zum Plot klingt aberwitzig – hat aber einen realen Hintergrund: „Männer, die auf Ziegen starren“ ist ein Bestseller des britischen Journalisten Jon Ronson von 2004, der darin aufdeckt, dass die US-Army eine Einheit für Soldaten mit parapsychologischen Fähigkeiten unterhielt. Aus den Fakten macht Regisseur Grant Heslov seinen ersten Spielfilm mit dem gleichen Titel wie das Buch und liefert damit eine Kriegssatire der Extraklasse, nicht zuletzt dank der Mithilfe von Superstar George Clooney, für dessen Regie-Debüt „Good Night, And Good Luck“ (2005) Heslov das Drehbuch verfasst hatte. Und auch die anderen Hauptdarsteller kommen aus Hollywoods erster Riege.

Bob Wilton (Ewan McGregor) ist Lokalreporter und wird zu einem Ex-GI mit angeblich übersinnlichen Kräften geschickt, der bei einer geheimen New Earth Army gedient habt, wo paranormale US-Soldaten ausgebildet wurden. Bob glaubt das nicht, aber es verschlägt ihn nach Kuwait, wo er als Kriegsreporter in den Irak fahren will. Dort lernt er Lyn Cassady (Clooney) kennen, der die Geschichte der New Earth Army bestätigt und Bob von den Soldaten des „Projekts Jedi“ erzählt.

In Rückblenden wird die Geschichte der realen Jedi-Ritter klar: Der Vietnamkriegsveteran Bill Django (Jeff Bridges) hat in der US-Army eine Art Hippie-Truppe aufgezogen, die nicht nur kifft und allerlei psychedelisches Zeug ausprobiert, sondern den präsumtiven Gegner mit Geisteskräften und Parapsychologie zu besiegen sucht – sie können unter anderem Ziegen zum Umfallen bringen, indem sie auf sie starren. Lyn ist ein vielversprechender Kadett in dieser Einheit, die aber Anfang der 80er Jahre zerfiel, weil der missgünstige Larry Hooper (Kevin Spacey) Bill gemobbt hat, sodass dieser unehrenhaft entlassen wurde.

Möchtegern-Kriegsreporter Bob wittert nun seine Story und schließt sich Lyn an, der in den Irak fährt und allerlei paranormale Kunststücke vorführt. Aber nicht nur das: Er ist auf geheimer Mission und zieht Bob in seine Schlamassel mit hinein, nicht zuletzt indem sie in die Auseinandersetzungen zweier konkurrierender US-Sicherheitsfirmen geraten, die im Zweistromland ihr Unwesen treiben. – Satire und tiefere Bedeutung sowie die Absurdität des Irakkriegs sind in „Männer, die auf Ziegen starren“ ineinander montiert. Wahrscheinlich kommt man dem Wahnsinn in diesem Krieg filmisch am ehesten auf diese Weise bei.

Nicht satirisch. Ins Mark treffend.

Dem Irakkrieg versucht auch Kathryn Bigelow in ihrer jüngsten Regiearbeit „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ beizukommen. Gar nicht satirisch. Aber ins Mark treffend. Für neun Oscars ist der Film nominiert – ebenso oft wie „Avatar“. Für sich sprechend, dass dieser Oscar-Favorit im Sommer 2009 vom Verleih (Constantin) aus dem Programm genommen wurde, noch bevor der Film in Österreich gestartet war. Immerhin zeigt nun das Wiener Stadtkino die exzeptionelle Auseinandersetzung mit der Sisyphus-Arbeit einer Elitetruppe in Bagdad anno 2004: Das Team Bravo hat noch 38 Tage bis zum jährlichen Turnuswechsel. Jeder einzelne dieser Tage kann den Tod für die Bombenentschärfer bedeuten. In dichten, apokalyptischen Bildern, denen man jede Realität abnimmt, zeigt Bigelow quasidokumentarisch und mit unkontrollierbaren Bewegungen einer Handkamera, wie die Männer hier eine Bombe entschärfen und dort auf fünf weitere stoßen. Sie riskieren ihr Leben für Menschen, von denen einige nichts anders wollen, als die US-Soldaten in den Tod zu schicken. Ein Jahr schon ist der Krieg offiziell zu Ende, aber in Wirklichkeit ist kein Kriegsende in Sicht.

Heckenschützen überall, ein Ladenbesitzer, der mit seinem Handy eine Bombe auslöst, welche den Entschärfer tötet. Dann wieder ein verzweifelter Familienvater, dem Terroristen Bomben auf den Leib geschmiedet haben – der Entschärfungstrupp kann ihn nicht mehr loseisen, bevor das Ganze in die Luft fliegt.

Selten ist in den letzten Jahren die Unmenschlichkeit und Ausweglosigkeit des Geschehens am Persischen Golf so schnörkellos erzählt worden – unter tatkräftig-authentischer Mithilfe von Schauspielern wie Jeremy Renner oder Ralph Fiennes: Bagdad ist Hölle und Apokalypse zugleich. Wenn die Oscars ein politisches Statement wären, so müsste man Bigelow und „The Hurt Locker“ viele der begehrten Film-Trophäen wünschen.

Männer, die auf Ziegen starren (The Men Who Stare at Goats)

USA 2009. Regie: Grant Heslov. Mit George Clooney, Ewan McGregor, Jeff Bridges, Kevin Spacey. Lunafilm. 94 Min.

Tödliches Kommando – The Hurt Locker

USA 2009. Regie: Kathryn Bigelow. Mit Jeremy Renner, Ralph Fiennes. Verleih:Stadtkino/Constantin. 124 Min. Ab 11.3.

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