Unentschlossen wie kaum zuvor

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Vor einer Betonwand spielt #Nathan der Weise#, die Eröffnungspremiere der neuen Spielzeit am Salzburger Landestheater. Sirenen, Raketeneinschläge, Hubschrauberlärm sind zwischendurch zu hören, fotografierende Touristen zu sehen. Und ein Bub, der seinen über die Mauer geflogenen Ball wieder haben möchte.

Lessings Vision vom Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen wird hier in einer eher zähen Inszenierung gezeigt. Vor der Mauer beginnt das Spiel wie auf einer Jahrmarktbretterbühne mit einigen Versatzstücken (Bühne: Gerhard Sommerfeld) und vorgelesenen Regieanweisungen aus dem Textbuch. #Nathan der Weise# führt, das ist anzumerken, als einziges literarisches Dokument das Konflikt- und Versöhnungspotenzial der drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam vor Augen. In Gefolge von Nine-Eleven wurde das Stück vielfach unter einem veränderten Blickwinkel gesehen. Religiöser Fanatismus war zum Terrorismus eskaliert # das sollte als Ursache die Weltkonflikte erklären. Was aber #Nathan# den Menschen zumutet, ist das versöhnte Neben- und Miteinander, wie es Lessing vorschwebte.

Pure Inquisition, keine Lachnummer

Die Salzburger Inszenierung des Baseler Schauspieldirektors Tim Kramer bleibt zwar an der literarischen Vorlage und stärkt, das ist der positive Akzent, die Figur des Klosterbruders Christoph Wieschke. Der Patriarch aber ist der Inbegriff des fundamentalistisch geifernden Katholizismus# im jüdisch-islamischen Umfeld Jerusalems. Kramer hat Werner Friedl in dieser Rolle als elende Karikatur mit grünem Nudelsieb auf dem Kopf und kardinalsroter Regenpelerine (Kostüme: Natascha Maravol) total missdeutet. Denn #der Jud muss brennen# ist pure Inquisition und keine Lachnummer in einem Kabarett. Daja, die überdrehte Christin und Erzieherin im Hause Nathans, Gudrun Gabriel, malträtiert nicht nur Recha, die resolute Ziehtochter des reichen Kaufmanns, sondern auch das Publikum mit exaltierter Stimme.

Bleibt die Ring-Parabel: Nathan Gero Nievelstein, im Straßenanzug mit Aktenkoffer, erzählt sie dem Sultan Saladin, Sascha Oskar Weis, der im Bademantel eher einem Lignano-Urlauber ähnelt und ganz relaxed zuhört.

Dieses berühmte Stück aufgeklärter Toleranzliteratur hat man kaum einmal so zurückgenommen und unentschlossen gehört wie hier. Natürlich haben sich der echte Ring und die nachgemachten Ringe in dem heute üblichen flachen Toleranzgerede abgenützt. Was aber ihre Bedeutung nicht schmälert. Man hat leider den Eindruck, hier habe ein Regisseur den Text und seine Bedeutung für heute wohl zu wenig ernst genommen oder, was man nicht annehmen will, nicht verstanden.

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