Weder in London noch in Wien ganz daheim

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Zwei Wissenschaftlerinnen untersuchten das Leben, die Haltungen sowie die Freund- und Feindschaften von Hilde Spiel.

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Zwei Wissenschaftlerinnen untersuchten das Leben, die Haltungen sowie die Freund- und Feindschaften von Hilde Spiel.

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Zwei neue Studien bezeugen eindrucksvoll die vielseitige Begabung und Bedeutung der 1990 verstorbenen Publizistin und Dichterin Hilde Spiel. Sandra Wiesinger-Stock zeichnet in ihrer Diplomarbeit sensibel Hilde Spiels Biographie nach, wobei ihr deren Sohn, der Psychoanalytiker Felix de Mendelsohn, behilflich war, sie jedoch den Nachlaß im österreichischen Literaturarchiv noch nicht einsehen konnte.

Die Quellenlage erwies sich, wie die Autorin zurecht schreibt, als nahezu unerschöpflich. Sie konnte daher auch keineswegs alle zugänglichen wesentlichen Materialien verarbeiten. Sie beschreibt die journalistischen Anfänge Spiels in der "Neuen Freien Presse" und im "Neuen Wiener Tagblatt" und ihr Studium beim Philosophen Moritz Schlick, über den sie nach dessen Ermordung 1936 eine berührende Danksagung veröffentlichte.

Weiter schildert sie sensibel Spiels Beziehung zum Exil, ihren Versuch, sich im Gegensatz zu anderen Emigranten bewußt in die englische Kultur einzuleben, aber auch das Scheitern ihrer Suche nach einer neuen Heimat, da das emotional kühle England sie auch in vielem abstieß.

Einige Abschnitte widmet Wiesinger-Stock auch Spiels Engagement im österreichischen Literaturbetrieb, vor allem im PEN-Club und in der von ihr und Milo Dor gegründeten IG Autoren nach ihrer Rückkehr nach Wien 1963. Über die damit verbundenen Polemiken und Intrigen wäre freilich sicherlich noch mehr zu berichten gewesen.

Im Gegensatz zu Sandra Wiesinger-Stock, die bewußt keine Werkbiographie schreiben wollte, tat die in England lebende Germanistin Waltraud Strickhausen genau dies. Sie füllt mit ihrer wichtigen Arbeit eine Lücke, da es, wie sie einleitend erwähnt, an eigentlicher Forschungsliteratur über Hilde Spiel bisher nur ganz wenige Aufsätze gibt.

Waltraud Strickhausen analysiert anhand einiger Werke die politischen, philosophischen und literarischen Einflüsse auf die Autorin, deren Darstellung des Exils und die Frauengestalten in ihren literarischen Arbeiten. Wichtig ist ihr Exkurs über den Julius-Reich-Dichterpreis, den Hilde Spiel 1933 erhielt, da hier erstmals das Kuratorium und die Person des jüdischen Stifters beschrieben wird.

Auch Strickhausen widmet der Beschreibung des Exils, das Spiel in einem berühmten Vortrag in Wien als eine Krankheit definierte, sehr viel Raum, genauso wie einigen ihrer Freund- und Feindschaften, besonders mit Friedrich Torberg. Beide Bücher enthalten Kapitel über Hilde Spiels jüdische Herkunft und Identität und kommen dabei bis in die Wortwahl zu erstaunlich ähnlichen Ergebnissen. Denn obwohl sich Spiel nie als Jüdin fühlte und nie aus der katholischen Kirche austrat, war das assimilierte jüdische Milieu, dem sie entstammte, doch in vielen ihrer Bücher ein Thema. Andererseits stellte Hilde Spiel klar, daß sie nicht für die Juden sprechen könne und ihre Freundschaft mit Autoren wie Heimito von Doderer und Alexander Lernet-Holenia, die eine ganz andere Haltung zum Nationalsozialismus einnahmen als sie, ist zumindest erwähnenswert.

Beide Bücher regen, nicht zuletzt durch die in beiden abgedruckten ausführlichen Bibliographien, zur neuerlichen Lektüre und Auseinandersetzung mit dieser wichtigen österreichischen Autorin an.

Hilde spiel. Ein Leben ohne Heimat?

Von Sandra Wiesinger-Stock, Vorwort: Erika Weinzierl. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1996 232 Seiten, geb., öS 298,- Die Erzählerin Hilde Spiel Oder "Der weite Wurf in die Finsternis" Von Waltraud Strickhausen. Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 1996 486 Seiten, geb., öS 803,

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