Welche Rechte gelten für Rechte?

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Nach Wikileaks kommt Nazi-Leaks: Die neue Enthüllungsplattform, die sich gegen die rechte Szene richtet, muss scharfe Kritik einstecken. Welchen öffentlichen Mehrwert hat die Veröffentlichung von privaten Daten?

Seit fast zwei Jahren leckt es regelmäßig im Internet. Wikileaks, die Enthüllungsplattform rund um Julian Assange, machte die Veröffentlichung von vertraulichen Informationen salonfähig. Geheime Diplomatendepeschen, Informationen über die Kriege im Irak und in Afghanistan oder Dateien zum Gefangenenlager Guantanamo Bay fanden über "Leaks“ - undichte Stellen - ihren Weg an die Öffentlichkeit und wurden im Netz verbreitet. Wikileaks hat zwar seit Oktober die Veröffentlichung von Dokumenten vorübergehend ausgesetzt. Das "Leaken“ geht aber weiter.

Kurz nach dem Jahreswechsel ging eine neue Plattform online: Nazi-Leaks.net. Die Hackergruppe "Anonymous“ veröffentlicht auf dieser Seite Datensätze über die rechte Szene in Deutschland. Dazu gehören Spendenlisten an die NPD oder Kundendaten von Versandhäusern für rechtsextreme Kleidung. Wenig überraschend befinden sich auch Österreicher darunter. Aber anders als Wikileaks, dessen Enthüllungen von einem Gutteil der Öffentlichkeit begrüßt wurden, muss Nazi-Leaks.net scharfe Kritik einstecken. Denn die Transparenz, die einem hehren gesellschaftlichen Zweck dient, scheint hier durch einen Online-Pranger ersetzt zu werden. In den veröffentlichten Listen finden sich viele persönliche Angaben von Namen, Adressen und Handynummern. Und hier stellt sich die Frage nach dem öffentlichen Mehrwert: "Was sagt uns diese Publikation? Was soll man mit diesen Leuten tun? Sollen sie überfallen werden, ihren Arbeitsplatz verlieren?“, fragt Bernd Wagner. Er leitet die Initiative "Exit-Deutschland“, die Neonazis beim Ausstieg aus der Szene unterstützt. "Meine Forderung an die Macher von Nazi-Leaks.net ist: Sofort einstellen. Die Seite ist rechtswidrig, hat keinen Erkenntniswert, stigmatisiert Leute unzulässig“, meint er.

Transparenz um jeden Preis?

Auch andere, die mit Rechtsextremismus sonst hart ins Gericht gehen, sparen nicht an Kritik. Der Verein "Netz gegen Nazis“ mahnt: "Hacker können mit Nazi-Websites viele schöne Dinge machen. Sie können erreichen, dass Nazi-Websites nicht erreichbar sind. Sie können sie mit Anti-Nazi-Grafiken schmücken. Aber virtuelle Pranger zu errichten, auf denen ungeprüfte Daten veröffentlicht werden, sind keine gute Erwiderungen auf rechtsextreme Aktivität.“ Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert die mangelhafte journalistische Sorgfalt. Die Namenslisten sind nämlich weder bestätigt, noch geben sie Auskunft darüber, ob jemand tatsächlich rechtsextremistisch agiert. Im Übrigen müssen Persönlichkeitsrechte auch für jene gelten, deren Gesinnung wir nicht teilen, lautet die instinktive Reaktion vieler.

Die richtige Balance zwischen dem öffentlichem Interesse und dem Schutz von Persönlichkeitsrechten zu finden, zählt zu den Kernaufgaben von Journalisten. Wikileaks arbeitete bei großen Enthüllungen deshalb auch mit renommierten Medien wie dem "Spiegel“ oder "New York Times“ zusammen. Nazi-Leaks.net verzichtet bislang darauf. Anders als Wikileaks agiert das Hacker-Kollektiv Anonymous namenskonform: streng anonym. Interviews werden über verschlüsselte Chats gegeben, in der Öffentlichkeit tragen die Akteure Masken. Ihr Argument dafür: Anonymität sie wichtig, um die Freiheit politischer Meinungsäußerungen zu schützen.

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