Zu Gast im ältesten Cafe

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Zehnter Teil der Furche-Serie über Kaffeehäuser: "Die an der Westbahn".

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Zehnter Teil der Furche-Serie über Kaffeehäuser: "Die an der Westbahn".

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Die "Kaisermelange" mit dem Gratishäferl gibt es in fast jeder Autobahnraststätte. In den vornehmen Kaffeehäusern Salzburgs oder im umgebenden Salzkammergut sind Kaffee, Preis und Atmosphäre deutlich gehobener, Bezug zu Kaiser oder Mozart besteht dennoch.

Bad Ischl ohne Schratt-Villa und Kaisergeburtstag wäre ein biederer Ort. Das wohlgefällige Ruhen eines kaiserlichen Augenpaars auf den landschaftlichen Schönheiten in Umgebung der Kleinstadt hat Ischl zu einem vornehmen Kurort gemacht. Der als Statue unsterblich gewordene Kaiser mit dem erlegten Hirsch am Soleweg prägt noch immer die Stimmung. Zu einer wohlhabenden Kurstadt gehört auch ein richtiges Kaffeehaus.

Das wußte man schon in der Monarchie. "Wo man gut kuren will, soll man gut speisen", lautete das Motto des Doktor Wirrer, der Ischl in der K.u.K.-Zeit zum Bad und zum elitären Kurort gemacht hat. Daher wurde Johann Zauner, ein junger Zuckerbäcker aus der Umgebung Wiens, importiert. Er gründete den "Zauner" 1832, noch immer ist die Kaffeekonditorei in den Händen der Familie. Seit 1905 trägt der "Zauner" neben der Mozartkugel wesentlich zur süßen heimischen Spezialitätenvielfalt bei. "Was in Wien die Sachertorte, ist im Salzkammergut der Zaunerstollen", erklärt Josef Zauner, der jetzige Chef der Konditorei, stolz. Aus Nougat und Grillage, der durch das Stoßen von geschmolzenem Zucker mit Nüssen hergestellt wird, entsteht das zopfförmige, schokoladeübergossene Gebilde.

Wider den Zeitgeist Mehr als 100.000 Mal im Jahr wird der Stollen versandt, seit 1905 wurde an der Rezeptur bei allem Linienbewußtsein nichts geändert. "Ischler Törtchen, Zauner Kipferl und Stollen, das sind Dinge, die müssen dieselben bleiben", macht Zauner bei gewissen Spezialitäten keine Konzessionen an den Zeitgeist. Es gibt ja Stammkunden, die seit mittlerweile einem halben Jahrhundert immer mit demselben Genuß kuren möchten. Abgesehen von diesen Klassikern, hat der legendäre "Zauner" eine Mehlspeisvielfalt von kaiserlichen Dimensionen zu bieten. Im Winter wird es im "Zauner" leicht dunstig, Moonboots und Schianzüge beeinträchtigen die Exklusivität; trotz Ausbau ist das Lokal zur Hauptsaison immer voll. Im Sommer, wenn die Esplanade an der Traun geöffnet ist, sitzen bis zu 2.000 Menschen an einem Tag im Cafe. Früher, in der Monarchie, ist kein Ischler zum "Zauner" gegangen, heute freut sich Josef Zauner darüber, daß Einheimische aus dem gesamten Salzkammergut anreisen, um zum "Zauner" zu gehen. Die Moonboots stören ihn nicht, "wenn einer im Unterleiberl kommt, geht das aber nicht".

Bestellt werden Mehlspeisen oder saure Köstlichkeiten mittels eines Zettelsystems direkt vor der Vitrine. Das führt zwangsläufig zu Staus, gibt aber in der nicht immer disziplinierten Warteschlange Gelegenheit, im Überangebot des Sortiments ausgiebig zu gustieren. Von schokoladig-nussig-üppig bis hin zu fruchtig oder diabetikerfreundlich: Die Auswahl beim "Zauner" zieht sich in Form einer geschwungenen, schlangenförmigen Vitrine geschickt vom Eingang zur Kassa. Neugierige Augen folgen, ohne die Gehrichtung der Füße wirklich wahrzunehmen, dem Reichtum der Konditorkunst, während das Wasser im Mund zusammenrinnt. Wenn man Glück hat, kann man auch stilvoll einen "Schratt-Guglhupf" nach Originalrezept ordern, um sich ein bißchen wie Kaiser Franz Josef beim Frühstück mit der Herzensfrau zu fühlen. Den gibt es allerdings nicht immer, weil der feine Germguglhupf recht aufwendig zu machen ist.

Der "Zauner" hat sich dem Bedarf nach süßen Souvenirs angepaßt. Fast alles gibt es zum Mitnehmen, den beliebten "Zaunerstollen" gleich in verschiedensten Varianten: von der Miniversion mit 125g um 75 Schilling bis hin zum 720 Gramm Jumbo um 350 Schilling. Verpackt wird die Süßigkeit mit dem stolzen Kilopreis in dunkelbraunes Papier mit "Zauner"-Logo, mit einem stilvollen Band kreuzweise verknotet.

Konkurrenten im Salzkammergut kennt Josef Zauner keine, nur Mitbewerber, und da ist er sich ob der gebotenen Qualität seiner Vorrangstellung ziemlich sicher.

In Salzburg tut sich der traditionsreiche Kaffeesieder schon schwerer. Kaffeehausmäßig hat die Festspielmetropole einiges zu bieten. Für Touristen liegt das "Cafe Glockenspiel" am Mozartplatz am günstigsten. Mit einer Terrasse verfügt es über zwei Geschosse, der Ausblick ist kameratauglich, in Kombination mit Mozart und Glocke für Japaner paradiesisch. Amerikanische "Let's Go Europe"-Freaks mit Rucksack und Sandalen begnügen sich mit einem Eis im Erdgeschoß. Die Atmosphäre des "Glockenspiel" wird allerdings aufgrund der hohen Touristendichte von echten Puritanern kaum geschätzt. "Wir haben Glück, wir liegen nicht so direkt an den Trampelpfaden der Touristen, die gehen zum Festspielhaus, zum Dom und auf die Burg", ist Franz Mühlbacher, der Geschäftsführer des "Cafe Tomaselli", froh, auch noch Salzburgern Gastlichkeit zu bieten. Wer in der Mozartstadt etwas auf Kaffeekultur hält, geht zum "Tomaselli" oder ins "Cafe Bazar".

Tradition in Salzburg Das "Tomaselli" ist nicht nur das älteste Kaffeehaus der Festspielstadt. Es ist das älteste Österreichs. Schon im Jahr 1703 erhielten der Italiener Caribundi und der Savoyarde Jean Fontaine die Kaffeesiederbefugnis, die ihnen gestattete, "Cioccolate, Coffe, Rosolio, Thee, Aquavit und andere Wasser-Brenerey-Sachen auszuschenken".

Allerdings hatten die Pioniere der Kaffeesiederkunst in der Wahl des Lokalstandortes keine sehr glückliche Hand. Ihr "Cafegewölb" war in der Goldgasse fünf an einer sehr engen Stelle gelegen. Vielleicht war auch deswegen dieser erste Versuch finanziell ein Flop. Die Tochter des Besitzers verkaufte also ihre Konzession an einen hochfürstlichen Kammerheizer, der sie dem Kaffeesieder Anton Staiger weitergab. Der lebte zur Zeit Mozarts und war ein Mann vom Fach: Das "Cafe Staiger" wurde zu einer noblen Adresse, es stand am Alten Markt. Dort steht es heute noch und ist noch immer ein nobler Ort. Nur heißt es seit dem Jahr 1781 "Tomaselli".

Weil sich in Salzburg alles um die Musik dreht, spielt sie auch in der Geschichte des "Tomaselli" eine tragende Rolle. Giuseppe Tomaselli, der Mann "mit der biegsamen Stimme und rührenden Manieren", war bis zum Jahr 1807 Hoftenorist am fürsterzbischöflichen Hof in Salzburg. Er ist ein Vorfahre der heutigen Kaffeesiederdynastie. Tomasellis Sohn hatte immerhin einen Taufpaten, zu dessen Hochzeit Mozart die "Haffner-Serenade" komponierte. 1820 beherbergte das "Tomaselli" Konstanze Mozart mit ihrem zweiten Mann, dem königlich-dänischen Etatsrat Georg Nikolaus von Nissen, der in Salzburg - wie könnte es anders sein - an einer Mozart-Biographie schrieb.

Auch heute hat das "Tomaselli" noch Prominenz aufzuweisen. "Früher saß Peter Handke gerne da, heute kommt der Herr Mortier", freut sich Mühlbacher. "Das Tomaselli ist eine Salzburger Einrichtung, ein Traditionsbetrieb, auch für die Salzburger." Nur zu Mittag brodelt es vor Touristen, aber das wissen die Salzburger und kommen am Abend wieder. Das "Glockenspiel" ist für Mühlbacher kein echtes Cafe, und das "Bazar" ist mehr etwas für junge Menschen.

Beim "Tomaselli" ist alles beim alten geblieben, und das macht seinen Charme aus. "Auf der Karte haben wir nichts geändert, die gibt's schon 20 Jahre." Mikrowellenherde haben Lokalverbot im "Tomaselli", und auch beim Kaffee tut man sich was an. Der Mocca wird gewissenhaft im Filter vorgemacht, von Melange über Einspänner bis zum türkischen Kaffee gibt es alles, was das Herz des Kaffeefreundes begehrt. Man setzt auf Prinzipien, und so gibt es im "Tomaselli" keinen Toast. Den gab es früher auch noch nicht. Dafür bekommt man, was traditionell im Kaffeehaus Platz hat.

Die Mehlspeisen sind täglich frisch, was übrigbleibt, bekommt das Personal. 40 Torten hat das "Tomaselli" zur Wahl, mit leichten saisonalen Veränderungen. "Im Sommer mehr Frucht, im Winter wird die Sache fetter", erklärt Mühlbacher die Regeln der Küche. Seit 1912 hat das "Tomaselli" im Sommer auch mehr Platz: Dann ist der "Kiosk" offen, wo man an der frischen Luft dem Markttreiben zusehen kann.

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