An den Pranger mit den Kinderschändern?

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Seit Wochen ebbt die weltweite Diskussion um die Frage der Veröffentlichung von Fotos, Namen und Adressen von Sexualstraftätern, insbesondere solchen, die sich an Kindern vergangen haben, nicht ab. Die Aktualität dieses Themas ist zweifach beunruhigend: zum einen flammt die Auseinandersetzungimmer wieder auf, weil ständigMissbrauchs-, Misshandlungs- und auch Mordfälle bekannt werden, und zum anderen signalisiert sie die Unsicherheit und Hilflosigkeit gegenüber dem Phänomen. Dabei steht die Tatsache, dass überhaupt (bzw. immer mehr) Sexualdelikte, und zwar auch und vor allem an Kindern, aktenkundig werden, wesentlich in Zusammenhang damit, dass die derzeitige Ermittlungs-, Straf- und Resozialisierungspraxis eher behutsam gestaltet ist und bis zu einem gewissen Grad sowohl Opfer wie auch Täter schützen will: letztere nicht nur vor Lynchjustiz, sondern auch vor totaler Ächtung und dem gesellschaftlichem Ruin. Das mag in Anbetracht der Schwere der Straftaten und der gravierenden Folgen für die Opfer, in Anbetracht der Ausnutzung von Autoritäts-und Abhängigkeitsverhältnissen nicht gerecht(fertigt) erscheinen, berücksichtigt aber, dass Täter und Opfer in den allermeisten Fällen in sozialer, emotionaler oder sogar familiärer Beziehung stehen. Die Bereitschaft, sich anzuvertrauen, ist auf jeden Fall größer, wenn man weiß, dass ein Problemlösungsprozess in Gang gebracht wird - und nicht eine Freigabe des Täters zum "Abschuss" durch Medien und Öffentlichkeit.

Tatsächliche oder vermeintliche Pädophile bzw. andere Sexualstraftäter dem Volkszorn auszuliefern, widerspricht unserer Rechtsordnung und der Idee eines humanen und auf Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzugs. Das ist die eine Seite. Die Kehrseite ist, dass bei diesen Delikten häufig der Strafrahmen nicht ausgeschöpft wird, dass zuwenig für die Opfer getan wird, und die (rückfallverhindernde) psycho- und sozialtherapeutische Täterarbeit in den Kinderschuhen steckt.

Die entscheidende Prophylaxe wird aber bei den Kindern ansetzen müssen - wenn sie sich ihres Rechts auf seelische und körperliche Integrität bewusst sind, sind sie keine potentiellen Opfer.

Die Autorin ist Professorin für Gesellschaftspolitik an der Universität Linz.

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