Das lange Sterben der "Königin des Todes"

Werbung
Werbung
Werbung

Sie wollte im Jenseits ihren Liebling Gandhi treffen - und C.G. Jung. Und dann, dann wollte sie noch durch die Galaxien tanzen. "Darauf freue ich mich schon jetzt", meinte sie augenzwinkernd zum Schweizer Regisseur Stefan Haupt, der 2002 über sie die viel beachtete Dokumentation "Dem Tod ins Gesicht sehen" in die Kinos brachte.

Was auch immer man von den eigentümlichen Nachtodkonzepten der weltbekannten Sterbeforscherin hält: Man möchte hoffen, dass sich die Vorfreude von Elisabeth Kübler-Ross auf das Jenseits erfüllt. Dienstag vergangener Woche starb sie im Alter von 78 Jahren in ihrem Haus in Scottsale im US-Bundesstaat Arizona. Nicht durch die Hand eines "Sterbehelfers", sondern eines natürlichen Todes, wie ihre Familie betont.

Seit 1995 war die "Sterbe-Expertin" dazu verurteilt gewesen, ihrem eigenen Tod ins Auge zu sehen: Von mehreren Schlaganfällen gezeichnet, halbseitig gelähmt und weitgehend auf sich allein gestellt, durchlebte sie all jene Phasen, die ihr Jahrzehnte davor todkranke Patienten geschildert hatten - und die sie 1969 in ihrem umwälzenden Buch "On Death and Dying" ("Interviews mit Sterbenden") beschrieben hat: Sie erlebte das Nichtwahrhabenwollen, den Zorn, das Verhandeln mit Gott und den Ärzten - und die Depression. Ob sie schlussendlich auch die letzte Phase, die Zustimmung zum Tod, erreicht hat, ist ihr zu wünschen - aber nicht selbstverständlich.

Allzu deutlich wird in Stefan Haupts Dokumentation, wie sehr die 23-fache Ehrendoktorin und über 20-fache Buchautorin trotz ihrer eingehenden Beschäftigung mit Leiden und Sterben mit ihrem Schicksal gehadert hat. "Das Bethle hat den Tod immer verherrlicht. Aber sie selbst meint jetzt: Ich muss noch dies und das machen", erzählte ihre Schwester Erika Faust-Kübler, die inzwischen selbst verstorben ist.

Zu ruhen, sich zurückzunehmen war noch nie Elisabeth Kübler-Ross' Sache gewesen: Schon als Kind galt sie als Rebellin. 1926 als eine von drei Drillingsschwestern einer protestantischen Kaufmannsfamilie in Zürich geboren, studierte sie gegen den Willen ihrer Eltern Medizin. Nach ihrer Heirat mit dem amerikanischen Arzt Emanuel Ross übersiedelte sie in die USA, wo sie erstmals auf das Arbeitsfeld stieß, das sie fortan nicht mehr loslassen sollte: der Umgang mit Sterbenden. Die Negierung des Todes durch die Schulmedizin rief Kübler-Ross auf den Plan: Angeregt durch Theologiestudierende begann sie 1965 im Billings-Hospital in Chicago ihre legendären Vorlesungreihen, in denen sie die Sterbenden über ihre Erfahrungen erzählen ließ. Mit dieser Methode und dem Anspruch, "das Sterben aus der Toilette" zu holen, hatte sie bald die gesamte Medizin-Fakultät polarisiert.

Streitbarkeit und Eigensinn sollten sich durch ihre ganzes Leben ziehen: Vor allem mit ihren Forschungen über die Existenz eines Jenseits, die sie in den siebziger Jahren - unter anderem mit Hilfe von Channeling-Sessions - vorantrieb, sorgte sie selbst unter ihren Anhängern für Kopfschütteln.

Dennoch gilt sie bis heute - neben Cicely Saunders - als die Wegbereiterin der Hospizbewegung. Ihr Kampf für die Enttabuisierung des Sterbens hat reiche Frucht getragen. Dafür ist Elisabeth Kübler-Ross zu danken - durch welche Galaxien sie derzeit auch tanzen mag. DH

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung