Ein humorfreies Polit-Kabarett

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Die FURCHE-Herausgeber

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Ich schätze die Kunst der Karikatur ungemein, und ich mag gutes politisches Kabarett. Eine Kombination von beidem bietet das Puppentheater Maschek im Wiener Rabenhof. Die Figuren des Karikaturisten Gerhard Haderer treten dort als Repräsentanten jener permanenten österreichischen Realsatire auf, die uns in ständig wiederkehrenden Tagträumen als Zerrbild der Innenpolitik begegnet. Wer noch nicht die Puppentheater-Version gesehen hat – immerhin waren das allein im letzten Programm „Beim Gusenbauer“ über 30.000 zahlende Gäste – kann Mascheks Kunst im Fernsehen bei „Dorfers Donnerstalk“ kennenlernen. Dort legt das Künstler-Trio seine fiktiven Sub-Texte unter reale Filmausschnitte aus dem politischen Leben. Das Ergebnis ist fast immer so originell, dass man auf diese Form von Kabarett gar nicht mehr verzichten möchte.

Plumpe Grenzüberschreitung

Nach Jahren steigenden Erfolges scheinen die Macher von Maschek nun aber im Umgang mit ihren politischen Role-Models jeden Humor zu verlieren. Denn nur wenige Tage vor der Premiere beleidigten sie in einem profil-Interview Bundeskanzler Faymann, immerhin Titelgeber und gewissermaßen „Leitpuppe“ des neuen Programms, auf mehr als grobe Weise. Er sei ein Mann ohne Kontur, der ständig vor sich hingrinse, durch und durch Mittelmaß. Und im übrigen wollten sie nicht, dass „das Menschenmaterial“, mit dem sie arbeiten, leibhaftig in der Vorstellung säße. Ein Kanzler habe in ihrem Publikum nichts verloren.

Bei dieser plumpen Grenzüberschreitung von der Satire hin zu schlichter Beleidigung hört sich für mich, ich gebe es zu, der Spaß auf. Immer öfter werden Bewertungen, wie sie an Stammtischen vorkommen mögen, von Leuten in den Mund genommen, die es besser wissen müssten. Ein scheidender Burgtheater-Direktor meinte im Abschiedsinterview salopp, die Regierung dieses Landes sei eine Koalition der Null-Nummern. Und der Leitartikler eines Sonntagsmediums bezeichnete die Personalkonstellation auf Bundesebene jüngst gar als „Laurel & Hardy“-Koalition. Wie witzig.

Entwertung des Politischen

Merkt denn niemand von diesen semantischen Scharfmachern, dass mit der bis zum Überdruss wiederholten, undifferenzierten Politiker-Schelte die politische Streitkultur selbst gefährdet ist? Indem wir das politische Personal abwerten, statt es zu bewerten, entwerten wir auch das Politische. Indem wir Kritik nicht auf sachlichen Argumenten, sondern auf persönlichen Invektiven aufbauen, entwerten wir auch die Substanz unserer Kritik.

Es ist paradox: Schon lange nicht mehr war das Politische so gefordert wie jetzt, und schon lange nicht mehr gab es so wenig Achtung vor dem politischen Personal. Damit schaden wir uns selbst. Die Finanzkrise, der Klimawandel und all die sonstigen Großthemen der neuen Welt-Unordnung verlangen nach komplexen Lösungen. Da ist es kontraproduktiv, die von uns gewählten Politiker auszuladen. Es mag geeigneteres „Menschenmaterial“ geben – bekommen werden wir es nur, wenn wir uns einbringen und qualifiziert mit der Politik auseinandersetzen, statt ihre Protagonisten zu mobben.

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