Ein Vorsitzender, der schon Lenin umgedreht hat

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Dudelsackmusik ist aus dem Hintergrund zu hören. "Ich bin gerade in Schottland", rechtfertigt der frühere ÖVP-Generalsekretär Herbert Kohlmaier die Nebengeräusche. Wie Schalmeien tönt es aber bald aus seinem Mund, als die Furche Kohlmaier über den Rechnungshofpräsidenten und Vorsitzenden des Österreich-Konvents Franz Fiedler befragt. Kohlmaier kennt Fiedler seit dessen Zeit als VP-Klubsekretär im Parlament - und ist voll des Lobes: "außerordentlich intelligent, gewissenhaft, fleißig, so wie ich es nie zuvor bei einem Mitarbeiter erlebt habe". Diese Einschätzung aus Schottland stimmt mit der von Erhard Busek überein, der von irgendwo in Mittel- und Südosteuropa ins Handy diktiert: "guter Jurist, präzise und wenn er von etwas überzeugt ist, sehr durchhaltend".

Bis Ende 2004 soll der Anfang der Woche unter Franz Fiedlers Vorsitz erstmals zusammengetretene Österreich-Konvent Vorschläge zur Straffung der Verfassung sowie zur Verwaltungs- und Bundesstaatsreform machen. Bei der ersten Sitzung drohte der Vorsitzende: "Wer nur unbeweglich in seiner Position verharrt, sollte bedenken, dass erfahrungsgemäß alles, was sich selbst nicht bewegt, schließlich fremdbewegt wird."

Franz Fiedler hat sich bewegt. "Er hat gezeigt, dass man nicht Zeit seines Lebens in der Geiselhaft einer Partei bleiben muss", attestiert der Wiener Restititutionsbeauftragte und frühere Stadtschulratspräsident Kurt Scholz dem Rechnungshofpräsidenten.

"Ich bin am Nil!"

"Wenn die Leitung abbricht, wundern Sie sich nicht", warnt Scholz, "ich bin am Nil." Die Telefonleitung bleibt aufrecht, und Kurt Scholz erklärt das Amtsverständnis von Fiedler, der im Juni 1992 zum Rechnungshofpräsidenten gewählt wurde: "Jegliche Kontrolle ist sinnlos, wenn nicht ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Prüfer und Geprüftem besteht." Mit dieser Philosophie, ist Scholz froh, "dreht Fiedler das dumme Lenin'sche Wort: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser' um. Für Fiedler ist Kontrolle gut, aber Vertrauen ist besser."

Als Vorsitzender des Konvents ist der am 17. März 1944 geborene Wiener für Kurt Scholz "die Idealbesetzung". Fiedler habe es geschafft, lobt Scholz, den Rechnungshof "von einer Anstalt der Erbsenzählerei zu einem modernen Prüfungsinstitut umzugestalten". Warum sollte das bei der Republik nicht gelingen?

"Weil es Fiedler an politischem Gespür fehlt", formulieren andere einen Einwand. "Fiedler sieht alles aus dem Bürokrateneck." Abgeordnete seien für ihn bloß Nicht-Experten, ein notwendiges Übel in einer Demokratie. Die Volksvertreter haben dem Rechnungshofpräsidenten dessen Missachtung heimgezahlt und sein Ministergehalt auf das eines Staatssekretärs heruntergestuft. Fiedler scheint das nicht gestört zu haben. Er verzichtet auf das Dienstauto und pendelt jeden Tag mit der U-Bahn zwischen Arbeitsplatz und 60-Quadratmeter-Wohnung.

"Hobbys? Hobby hat der Fiedler keines", zeigt sich ein anderer Bekannter überrascht über eine solche Anfrage. "Er kann das Leben nicht genießen, ein Arbeitstier, was nicht heißt, dass er nicht extrem lustig sein kann." Den Nebengeräuschen zu urteilen, ist auch dieser Befragte gerade auf Urlaub. Während Franz Fiedler bei 31 Grad im Schatten die Republik neu organisiert. WM

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