"Gewalt schafft Kontrolle"

Werbung
Werbung
Werbung

Der Psychologe Romeo Bissuti von "White Ribbon Österreich" über die Motive schlagender Männer.

Die Furche: Gibt es eine "Typologie" schlagender Männer?

Romeo Bissuti: Nein. Es existiert zwar das Klischee, der typische Gewalttäter käme aus der sozialen Unterschicht, sei arbeitslos und Alkoholiker. In Wirklichkeit zieht sich aber Gewalt gegen Frauen durch alle gesellschaftlichen Schichten, nur kann es sich ein Bankdirektor eher richten als ein Hilfsarbeiter. Auch prominente Frauen sind von Gewalt betroffen. Doch es gibt gerade hier große Probleme, eine Anzeige zu machen, weil man den Skandal fürchtet. Die einzige Typologie, die man feststellen kann, ist, dass es sich bei den Gewalttätern um Männer handelt. Es hat also mit den Männlichkeits-Rollenbildern in unserer Gesellschaft tun.

Die Furche: Welche Rollenbilder sind das?

Bissuti: Unser Männlichkeitsbild heißt: Mann, sei stark, Schwäche verboten. Was macht also ein Mann, der Probleme hat? Er versucht, diese Niederlage zu umgehen. Gewalt ist für Männer eine Gelegenheit, eine potenziell unkontrollierbare Situation wieder unter Kontrolle zu bringen.

Die Furche: Haben schlagende Männer ein schlechtes Gewissen?

Bissuti: Oft ist zu beobachten, dass der Mann versucht, seine Gewalttat wieder gutzumachen - und dass die Frau traumatisiert ist und sich nicht zu reden traut. Dass der Mann hier eine Handlung gesetzt hat, die problematisch ist, an dem wird nicht weiter gearbeitet. Die Frau beginnt sehr häufig, defensive Strategien anzuwenden, um eine nächste Gewalttat zu verhindern. Sie versucht, es ihrem Mann möglichst recht zu machen. Doch das wird ihr nicht gelingen.

Die Furche: Wie oft ist bei solchen Gewaltaktionen Alkohol im Spiel?

Bissuti: Alkohol wird sehr oft als Ausrede benützt, indem man sagt: Ich bin nicht schuld, sondern der Alkohol hat das aus mir gemacht. Doch erstens stellt auch der Griff zum Alkohol eine Entscheidung dar. Die meisten Männer wissen außerdem, wie sie auf Alkohol reagieren und setzen ihn ganz gezielt ein, um Zugang zu ihren Emotionen zu bekommen. Wenn man zweitens behauptet, dass Alkohol Verborgenes zu Tage bringt, müssen wir uns erst recht damit beschäftigen. Wir wissen auch, dass nicht jede Person, die Alkohol trinkt, zum Gewalttäter wird. Sonst hätten wir beim Heurigen jeden Tag tausende Schlägereien.

Die Furche: Welche Rolle spielt Eifersucht?

Bissuti: Das ist - wie Trennung und Scheidung - ein wichtiger Kontext. Hier schließt sich der Kreis zu den Männlichkeits-Rollenbildern: Bei Workshops mit Jugendlichen stelle ich oft die Frage: "Was wäre, wenn sich deine Freundin in jemand anderen verlieben würde?" Die Standardantwort unter den Burschen ist: "Na, den bringe ich um." Gewalt wird als Umgangsmöglichkeit mit seelischen Verletzungen in Erwägung gezogen. Unsere Welt würde anders aussehen, wenn als Standardantwort käme: "Na, dann wäre ich ganz schön verletzt."

Die Furche: Kann man Gewalttätigkeit bei Männern therapieren?

Bissuti: Wir sprechen nicht von Therapie, sondern von Trainingsprogrammen. Der Mann soll ja nicht als Opfer assoziiert werden, sondern die Verantwortung für seine Tat übernehmen. Nicht die Frau ist schuld, weil sie provoziert hat, auch nicht die Fußballmannschaft, weil sie verloren hat: Sondern ich habe eine Entscheidung getroffen, eine Handlung gesetzt. Darüber hinaus werden den Männern viele, an verhaltenstherapeutischen Modellen orientierte Hilfsmittel an die Hand gegeben, die das frühzeitige Erkennen von Aggression ermöglichen und Ausstiegsszenarien eröffnen.

Die Furche: Wie effektiv sind diese Trainings?

Bissuti: Es gibt eine längerfristige Studie aus Irland, wo deutlich wurde, dass die Rückfallsquote gegenüber nicht betreuten Männern signifikant niedriger ist. Der Effekt ist evident.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Informationen zu "White Ribbon

Österreich"- Verein von Männern zur Prävention von männlicher Gewalt,

unter www.whiteribbon.at.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung