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Hemayat, ein Therapiezentrum für Folteropfer in Wien, versucht seit 1995 den psychischen und physischen Folgen von Folter zu begegnen. Hemayat bedeutet Unterstützung und Schutz. Siroos Mirzaei, Arzt im Wiener Wilhelminenspital und Ulrike Dollak, Psychologin und Psychotherapeutin, gehören zum Team der Helfer.

die furche: Wie helfen Sie?

Siroos Mirzaei: Im Asylverfahren wird oft ein medizinisches Gutachten über Foltertraumata verlangt. Wir überprüfen, ob es noch Nachweise von Folter gibt, ob die Angaben des Asylwerbers vom medizinischen Standpunkt her glaubwürdig sind. Bei Kindesmisshandlung wird eine nuklearmedizinische Untersuchung angewandt. Dieses Verfahren verwenden wir auch bei Folteropfern. Wenn jemand mit einer Metallstange geschlagen wird, bilden sich Hämatoma nach zwei Wochen wieder zurück, aber ein Trauma an den Knochen kann Jahre später noch festgestellt werden.

die furche: Und die Psyche?

Ulrike Dollak: Bei Folterungen wird die Persönlichkeitsstruktur oft komplett gebrochen. Es kommt zu einer absoluten Isolation, zu Verfolgungsängsten, Depressionen, Schlafstörungen und sogenannten "Flash backs", das heißt, das Erlebte wird wieder durchgelebt. Weiters treten psychosomatische Reaktionen, wie Essstörungen, auf. Die Folteropfer fühlen sich schuldig und wertlos. Ihre Demütigung wird als eigene Schuld interpretiert. Das Schuldgefühl führt dazu, dass man es sich nicht mehr gutgehen lassen darf und sich selbstzerstörerisch verhält. Es kommt zu einer völligen Abspaltung der Gefühle, weil man sonst die Folter nicht aushalten würde. Eine Depersonalisation tritt auf, das heißt, man sagt sich, das passiert nun gar nicht alles mir selbst. Das Irre an der Situation ist die Hilflosigkeit und Unberechenbarkeit, die man bei der Folter erlebt.

die furche: Was können Sie heilen?

Dollak: Das Wichtigste ist, dass die Betroffenen lernen, sich nicht mehr als Opfer zu sehen. Man muss erkennen, dass das eine unausweichliche Situation war. Das Opfer schildert anfangs die Erfahrungen so, als ob es jemanden anderen passiert ist. Wenn so viel Vertrauen zum Therapeuten gefasst ist, um Ich sagen zu sagen, mir ist das passiert, dann tastet man sich langsam an die eigene Erfahrung heran. Zentrales Moment in der erfolgreichen Therapie ist, dass man wieder Beziehungen aufbauen kann. Wenn sich die Klienten wieder freuen können, ist sehr viel gewonnen. Dass die Leute wieder völlig unbefangen sind, geht sowieso nicht.

Das Gespräch führte Eva Maria Bachinger.

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