Kritiker des modernen Wissenschaftsbetriebs

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Der moderne Forschungsbetrieb sei "schamlos" geworden. Man verkaufe seine "Entdeckungen an den Höchstbietenden", denn alle wollten "einen Nobelpreis kriegen, wenn sie können" - O-Ton der Kritik von Erwin Chargaff an der Genforschung im Furche-Interview anlässlich seines 96. Geburtstages im Vorjahr (Furche 32/2001). Dass die Genforschung ihre Ergebnisse heute so lukrativ umzusetzen vermag, verdankt sie allerdings nicht zuletzt dem 1905 in Czernowitz geborenen Biochemiker, der vorigen Donnerstag fast 97-jährig in New York gestorben ist.

Nach Studien in Wien, wo er 1928 promovierte, Yale und Berlin startete er eine sehr erfolgreiche Karriere als Forscher am Pasteur-Institut in Paris und vor allem an der Columbia University, der er bis zum Ende seiner wissenschaftlichen Karriere auch als Lehrer treu blieb.

Ende der vierziger Jahre entdeckte er wesentliche Strukturmerkmale der DNS: die Chargaff Regeln. Sie schufen die Basis für die Entschlüsselung der Erbsubstanz durch James Watson und Francis Crick, die dafür den Nobelpreis bekamen - während Chargaff leer ausging.

Dass er sich in einer Art zweiten Karriere zum leidenschaftlichen Kritiker des Wissenschaftsbetriebs wandelte, sei auf diese Enttäuschung zurückzuführen, wurde ihm entgegengehalten. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass seine zivilisationskritischen Essays - bei Klett-Cotta erschienen - einer wissenschaftsgläubigen Gesellschaft wichtige Denkanstöße lieferten. Chargaffs lustvoll-polemische Ausdrucksweise - Chargaff-Interviews waren stets Fundgruben für "Sager" - bringt seine Leidenschaft für die deutsche Sprache zum Ausdruck. "Wenn ich eine Heimat nennen würde, wäre es die Sprache, die Muttersprache, und das ist Deutsch", erklärte er der Furche, denn er habe "so viele Heimaten, dass ich keine habe." CG

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