Machtlos gegen Gold-Multis

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Drei Andengletscher werden - wie ursprünglich geplant - nicht mehr versetzt, doch das für Umwelt und Menschen riskante Goldschürfen geht weiter.

Es gibt keine Mine, die nicht die Umwelt verschmutzt. Wer was anderes sagt, lügt!" Nelson verschränkt seine Arme, im Dämmerlicht seines kleinen Hauses hängt der Satz wie ein Urteilsspruch in der Luft. Hinterm Haus rauscht der Huasco-Fluss.

Nelsons Haus steht in der Atacamawüste, am Fuße der Anden. Eine unfruchtbare Landschaft. Nur die Flüsse spenden Leben. Das Huasco-Tal, gut 800 Kilometer nördlich von Santiago de Chile, ist Nelsons Heimat: Hier liegt auf 4500 Metern Höhe unter den Gletschern Toro I und II und Esperanza eines der größten Goldvorkommen der Welt, die Mine Pascua Lama. Hier will die kanadische Barrick Gold Corporation schürfen. Dafür wollte der Konzern sogar die Gletscher versetzen - die Furche berichtete (Nr. 29/2005).

Nach massivem Protest und mehreren Umweltgutachten ist dieses Vorhaben gescheitert; die Mine im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile wurde jedoch von beiden Regierungen bewilligt. In diesem Jahr soll mit dem Bau, 2010 mit der Förderung begonnen werden. Wie das Gold jedoch geborgen wird, ohne die Gletscher zu beschädigen, bleibt ungeklärt.

Die Bewohner des Huasco-Tals befürchten unkalkulierbare Umweltschäden. Nelson, wie so viele Nordchilenen selbst Bergarbeiter, weiß, wovon er spricht: "Wenn die da oben die Steine sprengen, wird Arsen freigesetzt, das der Wind, durch das Tal trägt. Ein Milligramm Zyanid ist tödlich für zehn Menschen und hier werden täglich 90 Lastkraftwagen mit dieser und anderen Chemikalien zur Goldwäsche vorbeifahren - direkt durch die Dörfer. Und wenn es in den Bergen gewittert, kommt der Schlamm vier Stunden später hier vorbei. Wenn da oben was passiert, haben wir keine Chance!"

Die Barrick Gold Corporation sieht das anders: Carolina reicht im Büro der Firma Informationsmaterial über den Tisch: "Für den Bau der Mine werden wir 5500 Leute einstellen. Später arbeiten dann dort mehr als 1500 Menschen. Damit werden wir einer der größten Arbeitgeber in der Region", sagt sie. Barrick Gold will den sozialen und ökonomischen Fortschritt garantieren: "Wir haben eine Straße durch das Tal gebaut, Computer, Internet, Krankenwagen gekauft, und wir arbeiten eng mit den chilenischen und argentinischen Umweltbehörden zusammen."

Die Präsenz der Barrick Gold ist tatsächlich überall zu spüren. Angesichts der Größe des Projekts und der Macht von Konzern und Regierungen schwanken die Talbewohner ständig zwischen Resignation und Hoffnung, Ohnmacht und Optimismus. Die Firma selbst zeigt sich offen und ist um Verständnis für ihr Projekt bemüht. In Hausbesuchen soll über Pascua Lama aufgeklärt werden. Handgemalte Schilder der Huasco-Tal-Bewohner an Häuserwänden und Felsen bezichtigen jedoch den Konzern der Lügen und der Skrupellosigkeit. "Die Barrick gibt und gibt, mal sehen, wer sich verweigert. Inzwischen marschieren sogar die Schulkinder mit Barrick-Kappen auf. Und wenn sie dann einmal überall mit drin ist, macht sie schwupp …", Padre Enrique, der Pfarrer des Tales, schließt seine Hand in der Luft: "Klar ist die Mine die Rettung für die nächsten 20 Jahre. Sie bringt Arbeit. Aber meine Frage ist, was kommt danach?"

Protestsender am Kirchturm

Den Kirchturm im Dorf Alto del Carmen ziert ein Wandgemälde, grüne, helle frohe Farben für das heutige Tal, grau und schwarz für die Zukunft. Bagger zerreißen die Erde, Särge schwimmen im Fluss. Neben der Glocke sendet das Radio Profeta Beiträge gegen Pascua Lama. Selbst Padre Enriques Auto ist ein fahrender Protest. "Wasser ist mehr wert als Gold", steht auf dem Rückfenster. "Um ehrlich zu sein", gibt der Padre zu, "man ist ohnmächtig gegen die Maschinerie dieser Multis. Aber ich glaube, dass zum Schluss Gerechtigkeit und Wahrheit triumphieren."

"Es gibt bei diesem Projekt so viele Unregelmäßigkeiten. Hätten wir die Mittel, die zu verfolgen, könnte Barrick einpacken", sagt Luis Faura, Gemeinderatsmitglied des Huasco-Tals sowie Gegner von Pascua Lama. Er schiebt Tee, Brot und Butter beiseite und breitet eine Landkarte aus. Mit dem Finger fährt er beim Erzählen über Berge, Grenzen, Gletscher und Flüsse. "Hier geht's ums Geld und nichts anderes", sagt er verbittert. Schon existieren in den Bergen mehrere Tunnel nach Argentinien, eine Straße quer über einen Gletscher und ein Flugplatz. "Wer kontrolliert das denn?", fragt Faura. "Die haben völlig freie Hand. Dort entsteht ein Land Barrick," sagt er, klappt die Landkarte zusammen und legt sie weg, als gälte sie nichts mehr. Als müsste alsbald eine neue gezeichnet werden.

Die Autorin ist freie Journalistin.

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