Pascua Lama: Wo Wasser mehr wert ist als selbst das Gold

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Der weltweit größte Goldförderer stellt die Arbeiten an einer chilenisch-argentinischen Mine in einem Erdbebengebiet vorübergehend ein. Ein Etappensieg Indigener gegen einen internationalen Konzern.

Chile, Huasco-Tal, Herbst 2006: "Ich glaube, letztendlich schaffen wir das. Wenn nicht, dann .... dann ...“. Padre Enrique sucht nach Worten. "Um ehrlich zu sein, man ist ohnmächtig gegen die Maschinerie dieser Multis. Aber ich glaube, dass zum Schluss die Gerechtigkeit triumphiert. Und die Wahrheit.“ Padre Enrique lacht. Er lacht oft. Das Lachen ist seine einzige Erleichterung angesichts des Damoklesschwertes der Goldmine Pascua Lama, das über dem chilenischen Huasco-Tal und seiner Gemeinde hängt. "Manchmal denke ich, es wäre schön, wenn meine Mission zu Ende wäre. Dann müsste ich das alles nicht mehr mit ansehen“, gibt der Pfarrer aus Spanien zu und kann sich dem Konflikt doch nicht entziehen. Selbst sein Auto ist ein fahrender Protest. Auf das Rückfenster schrieb er: "Wasser ist mehr wert als Gold“. Der Slogan wird zum geflügelten Wort, gegen die kanadische Barrick Gold Corporation, einem der größten Goldförderer der Welt, der in den Anden an der chilenisch-argentinischen Grenze den ersten binationalen Tagebau errichtet. Seitdem rollen täglich LKWs mit schweren Maschinen durch das Huasco-Tal. Im Jahr 2010 sollte ursprünglich mit der Goldförderung begonnen werden.

Klage der Diaguita

Chile, Huasco-Tal, Sommer/Herbst 2013: "Copia-pó“ - "Kopiert es endlich“ fordert ein spanisches Wortspiel nach einem Urteil des Berufungsgerichts der chilenischen Stadt Copiapó auf. Im April wurde einer Klage der indigenen Bevölkerungsgruppe Diaguita gegen die Barrick Gold stattgegeben und die Arbeiten an der Mine Pascua Lama wurden zum Erliegen gebracht. Die Diaguita, die Ureinwohner dieses Gebietes, wurden in Chile überhaupt erst als indigenes Volk anerkannt, als die Barrick Gold Corporation schon in ihrem Gebiet aktiv war. Das Urteil zeigte, das auf rechtlichem Wege der Umweltverschmutzung durch den Goldtagebau Einhalt geboten werden kann und der Ruf "Kopiert es endlich“ verbreitete sich rasant im Internet.

Keiner hatte mit solch einer Entwicklung gerechnet, am wenigsten die Diaguita selbst. Und dann wurde das Urteil "kopiert“, von höchster Stelle. Der Oberste Gerichtshof Chiles gab dem Berufungsgericht von Copiapó Recht, verurteilte die Verschmutzung eines Flusses im Diaguitagebiet mit Arsen, Kupfer, Aluminium und Sulfaten aufgrund des Baus der Mine und forderte von der Barrick Gold: "Das Unternehmen darf die Arbeiten am Projekt so lange nicht fortsetzen, bis die Umweltauflagen für das reibungslose Funktionieren des Wassersystems (…) erfüllt sind.“

Kanada, Toronto, Herbst 2013: Peter Munk, 86 Jahre alt und seit über 30 Jahren der führende Kopf der Barrick Gold Corporation, kündigt seinen Rücktritt bei der nächsten Jahresversammlung des Konzerns im kommenden Jahr an. Zeitgleich stellt die Barrick Gold alle Arbeiten an der Mine Pascua Lama sowohl auf chilenischer als auch argentinischer Seite ein. Offizieller Grund: 15,4 Mrd. US-Dollar Schulden lasten auf dem Unternehmen und zwingen zu anderem Haushalten. Der Stopp der Mine Pascua Lama, deren Bau momentan aufgrund des chilenischen Gerichtsurteils ohnehin nicht fortgesetzt werden kann, sorgt für eine Milliarde US-Dollar Einsparung pro Jahr. Wann die Arbeiten fortgeführt werden, bleibt offen. Unternehmer aus dem Bergbaubereich in Chile und Argentinien reagieren bestürzt auf die Nachricht. Die Barrick Gold schien einst der sichere Gewinn im Geschäft.

Für eine Mine einen Gletscher versetzen

Ein Rückblick: Pascua Lama an der Grenze zwischen Chile und Argentinien galt als einzigartig - die erste binationale Mine weltweit, für die ursprünglich selbst Gletscher versetzt werden sollten. Die Errichtung der Mine kam für die AnwohnerInnen beiderseits der Grenze überraschend. Es gehört zur weltweiten Strategie der Goldförderer, sich abgelegene, häufig indigen besiedelte Landstriche zu suchen, in denen mit ernsthafter Gegenwehr schon aufgrund geringer Bildungs- und Infrastruktur kaum zu rechnen ist. Doch seit die Barrick Gold mit den Arbeiten begonnen hat, sieht sie sich unerwarteter Gegenwehr und einer Flut von Klagen gegenüber. "Was wir hier machen, erinnert an David und Goliath. Keiner von uns hatte vorher Ahnung vom Goldbergbau. Mittlerweile sind wir Experten geworden“, sagt Luis Faura, Gemeinderatsmitglied im Huasco-Tal und einer der ersten, der Widerstand organisierte.

Einfache Bauern protestieren seither gegen ungerechte Wasserverteilung zwischen ihnen und der Barrick Gold. In Argentinien liegt dem Obersten Gerichtshof eine Klage gegen den Konzern vor, die in Argentinien obligatorische Umweltversicherung nicht zu zahlen. Die Diaguita erhielten Recht vor dem chilenischen Gericht. Minenarbeiter veröffentlichen anonym Fotos von der Zerstörung an den Gletschern.

Denn das Gold soll auf 4500 Metern Höhe in den Anden in unmittelbarer Nähe von Gletschern gefördert und mit giftiger Blausäure in einem stauseegroßen Becken gewaschen werden - mitten im Erdbebengebiet. Die Sprengungen von über 1000 Höhenmetern Berg für den Tagebau setzen Arsen und Feinstaub frei, der sich wiederum auf die Gletscher legt, die dadurch schneller schmelzen. "Dies sind nur einige Fakten. Die Folgen für die Umwelt sind unabsehbar. Wenn ganze Berge fehlen, ändert sich sogar die Windrichtung“, sagt der Argentinier Ricardo Vargas vom Umweltbüro San Guillermo.

Nun liegt die Straße im Huasco-Tal so still wie eh und je. Keine LKWs bringen mehr Maschinen und Treibstoff zur Mine, die Bergarbeiter sind abgezogen - auf unbekannte Zeit. Die Slogans an den Häuserwänden der Dörfer, "Wasser ist mehr wert als Gold“, künden von einer Auseinandersetzung, die erst einmal gewonnen scheint und deren Ausgang doch mehr Unsicherheit zurücklässt als der Gegner, als er noch konkret war.

Wasser statt Gold

Und nun? "Unsere Klage gegen die Barrick Gold wegen Nichtzahlung der obligatorischen Umweltversicherung halten wir aufrecht. Denn gerade diese Versicherung schließt Kosten der umweltgerechten Entsorgung mit ein, wenn die Arbeiten beendet sind oder die Barrick, wie eventuell auch möglich, sie nicht mehr aufnimmt“, sagt Ricardo Vargas vom Umweltbüro San Guillermo. Auch für Gemeinderatsvorsitzenden Luis Faura in Chile ist die Auseinandersetzung nicht vorbei. "Es ist nicht damit getan, dass die Barrick jetzt einfach die Arbeiten einstellt. Erst errichten sie da oben in den Anden eine Stadt für sich, reißen die Erde auf, bauen Straßen, dann gehen sie“, sagt er und räumt Landkarten und Bilder beiseite, die ihm bei jedem Interview zur Veranschaulichung des Konflikts dienten. Die Wut der arbeitslos gewordenen Bergarbeiter richtet sich zum Teil auch gegen ihn. Sie geben denjenigen, die Widerstand organisierten, die Schuld am Fiasko. "Jetzt müssen andere Lösungen gesucht werden. Hoffentlich welche, die allen Beteiligten nutzen“, sagt Faura.

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