Im Alleingang gegen Minen-Riesen

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Der Argentinier Ricardo Vargas klagt beim Obersten Gerichtshof Argentiniens die fehlende Umweltversicherung im Goldbergbau der Firma Barrick Gold ein – mit Aussicht auf Erfolg.

Rodrigo Jiménez Castellanos stupst immer wieder seine Fingerspitzen aneinander. Er sitzt vor einer Wand, die ein halbes Dutzend Logos bedeckt: „Barrick – Minería Responsable“, „Barrick – Verantwortungsvoller Bergbau“. „Das Allgemeine Umweltgesetz schützt alle spezifischen Elemente der Umwelt. Veladero hält sich definitiv an dieses Gesetz“, sagt der Vizepräsident für Zusammenarbeit der Barrick Südamerika in die Kamera. Die Goldmine Veladero, auf die sich Castellanos bezieht, liegt inmitten des von der UNESCO geschützten Biosphärenreservats San Guillermo in der argentinischen Provinz San Juan. „Besteht für Veladero eine Umweltversicherung?“, fragt der Journalist. „Es handelt sich hier um ein neues Gesetz, das gerade herausgekommen ist. Wir befinden uns in der Phase der Prüfung und Umsetzung“, antwortet Castellanos. Seine Augen zwinkern Nervosität. „Veladero hat also keine Umweltversicherung?“ „Wie ich Ihnen sagte, das ist ein neues Gesetz und wir prüfen es gerade“, so Castellanos.

Dieser Dialog war Ende vergangenen Jahres im TV-Programm Telenoche Investiga in ganz Argentinien zu sehen. Das „neue Gesetz“ wurde im Jahr 2002 als Allgemeines Umweltgesetz Nr. 25675 sanktioniert. Es verpflichtet jede Person oder Firma, die umweltzerstörende Aktivitäten durchführt, zur Reparation der Schäden. Artikel 22 verlangt zudem den Abschluss einer Versicherung, die eine ausreichende Finanzierung der Restauration garantiert. Er ist nach anfänglichen rechtlichen Schlupflöchern seit zwei Jahren obligatorisch. Diese Versicherung ist auch die Grundlage der Klage des Argentiniers Ricardo Vargas gegen die kanadische Barrick Gold Corporation. Er stellt sich damit als Einzelperson gegen den weltweit größten Goldförderer, ein bislang einmaliges Unterfangen. Und er hat nun Aussicht auf Erfolg. Seine Klage wurde zur Vorlage am Obersten Gerichtshof Argentiniens empfohlen. „Das könnte das Ende der Straflosigkeit sein, mit der unsere Berge zerstört werden“, freut sich Vargas. Drei Jahre lang hatte er darauf gewartet.

Blausäureseen in Erdbebengebieten

Vargas’ Klage bezieht sich auf das binationale Megaprojekt Pascua Lama, das nur wenige Kilometer von Veladero entfernt ebenfalls von der Barrick Gold auf der argentinisch-chilenischen Grenze betrieben wird. Beide Minen liegen auf über 4500 Metern Höhe in den Anden der Provinz San Juan, aus der Ricardo Vargas stammt. Für den Goldbergbau zu Tage werden ganze Berge weggesprengt. Die Steine werden zermahlen und das Metall in riesigen Becken mit Blausäure gewaschen. San Juan ist Erdbebengebiet. Ein Beben, das oben in den Bergen zu Rissen in den Chemiebecken führt, kann die ganze Provinz vergiften. Bei den Sprengungen wird zudem Arsen freigesetzt und der Feinstaub legt sich auf die umliegenden Gletscher, die dadurch schneller schmelzen und zerstört werden. Für diese Art von Bergbau werden 24 Stunden am Tag ohne Unterbrechung pro Sekunde über 100 Liter Wasser benötigt, das in dieser Wüstenregion einziger Lebensgarant ist. Schon heute führt der betroffene Fluss Jáchal weniger Wasser als je zuvor.

Für die absehbaren Schäden, die dieser Bergbau verursacht, betrüge nach ersten Berechnungen die Versicherungspolice für Pascua Lama, das über 17 Millionen Unzen Gold fördern soll und damit einen Gewinn von gut 1,5 Milliarden US-Dollar einfahren könnte, 700 Millionen Dollar. Diese Versicherung ist eine Säule von Vargas’ Klage. Zudem gibt er an, dass sich auch Teile der Mine Pascua Lama entgegen andersartiger Behauptungen im Biosphärenreservat San Guillermo befinden, eine Tatsache, die mittlerweile selbst von Nationalparkwächtern bestätigt wurde. Und der dritte Klagepunkt führt an, dass nicht nur San Juan als Provinz betroffen ist. „Die Natur hält sich nicht an Landesgrenzen. Die Flussbette, an denen die Mine liegt, reichen bis in die Nachbarprovinzen San Luis, Mendoza und La Pampa. Diese sind bei der Vergabe der Minenkonzession jedoch nicht gefragt worden. Eine eklatante Unterlassung laut Umweltgesetz und den Richtlinien zur Wasserverwaltung“, so Vargas. Ricardo Vargas hätte sich vor acht Jahren nie träumen lassen, einmal Experte für Goldbergbau und Umweltrecht zu werden. Schon immer fasziniert von der rauen Schönheit der Wüstennatur seiner Provinz erschloss er sich auf eigene Faust die unzugänglichsten Gebiete, darunter das Biosphärenreservat San Guillermo. Vargas stammt aus einer armen Familie, die es durch die Arbeit im Fleischgeschäft geschafft hat, den Sohn studieren zu lassen, drei Jahre Geophysik, zwei Jahre Wirtschaftswissenschaften.

Argentinischer Ombudsmann eingeschaltet

Aber Vargas trieb es in die Berge. Er wurde der erste staatlich anerkannte Bergführer im San Guillermo Nationalpark, wo (noch) die größte Vicuñaherde Südamerikas lebt, eine vom Aussterben bedrohte Lamaart. „Eines Tages bekam ich ein Angebot, für 800 Dollar täglich durch San Guillermo zu führen. Als ich nachfragte, wer so viel zahlen will, erfuhr ich vom Goldprojekt, das heute Veladero ist. Ich habe Protest bei der Nationalparkverwaltung eingelegt, ohne Erfolg. Sie haben mich rausgeschmissen“, erzählt Ricardo Vargas und zeigt Flyer zum Schutz der Flora und Fauna, die sich die Parkverwaltung später von der Barrick sponsern ließ. „Ich habe versucht, die Leute zum Protest zu motivieren, aber umsonst. Was dort in den Bergen geschieht, ist viel zu weit weg. Das ist, als wolle man Pinguine retten“, sagt der 42-Jährige. Trotzdem resignierte er nicht. Mit seinem Freund, dem Anwalt Diego Segui, gründete er die Beratungsstelle und Umweltschutzkanzlei „San Guillermo“. Sein Wissen ist mittlerweile so groß, dass er von Universitäten zu Vorträgen und von Journalisten und Politikern zu Beratungen gebeten wird.

Seit acht Jahren arbeiten Vargas und Segui ohne jegliche finanzielle Unterstützung. „Wir ertragen es nicht mit anzusehen, wie die Provinz zerstört wird“, sagt Ricardo Vargas. Sie studierten minutiös die Umweltberichte der Barrick Gold, über 3000 Seiten für jede einzelne Mine. „Darin lügen die nicht. Da steht alles drin, was sie machen und was das für die Umwelt bedeuten kann. In dem Moment, wo die Regierung trotzdem zustimmt, hat die Firma die Verantwortung abgegeben“, so Vargas. Er fragte per Brief als Privatperson auf juristischem Wege bei der Barrick Gold nach, ob sie eine Umweltversicherung hätten. Die negative Antwort war der ausschlaggebende Punkt, die Klage beim Obersten Gericht einzureichen und die Schäden, die durch den Bergbau in San Juan entstehen, publik zu machen. Ende 2007 gab dann der Ombudsmann Argentiniens Vargas’ Darstellung Recht.

Für ihn und seinen Anwalt eine enorme Bestätigung. „Wir fühlen uns oft allein. Als ob wir verrückt wären. Ja, vielleicht ist es verrückt, was wir machen, weil kein anderer es macht. Ein Schild ‚Nein zur Mine‘ bringt heute nichts mehr. Der Bergbau ist eine Tatsache. Von der müssen wir ausgehen. Außerdem ging es uns nie darum, ihn zu verteufeln. Aber er muss im Einklang mit allen anderen Interessen geschehen, egal ob Umweltschutz, Landwirtschaft, Tourismus oder dem gerechtfertigten Anspruch der Anwohner auf eine intakte Umgebung. Ideal wäre, wir hätten uns alle an einen Tisch gesetzt und dann entschieden. Aber das ist nicht passiert. Also muss sich der Bergbau, der uns übergestülpt wurde, wenigstens an die Gesetze halten“, so Vargas.

Tiere sterben, Menschen fallen Haare aus

Über die Kanzlei laufen noch zwei weitere Klagen gegen die Minen Veladero und Gualcamayo (Betreiber: Yamana Gold, Kanada). Die Klage Veladero liegt noch zur Prüfung vor, aber die Klage zu Gualcamayo wurde ebenfalls dem Obersten Gerichtshof empfohlen. Die Mine Gualcamayo liegt in der Nähe des Dorfes Guandacol, das im November 2009 kurz vor der Evakuierung stand, als der Wind giftigen Staub von der Mine herüber trug. Den Menschen fallen inzwischen die Haare aus und die Tiere sterben. „Es ist ein Meilenstein, dass zwei von drei Klagen ans Oberste Gericht empfohlen wurden. Nun müssen wir warten, bis das Gericht im März endgültig abstimmt“, erklärt Diego Segui den weiteren Verlauf. „Und wenn es hier nicht weiter geht, dann fliege ich zum Sitz der Barrick Gold nach Kanada und zur UNESCO. Dann wird das, was heute noch national ist, international“, kündigt Ricardo Vargas an, der David gegen Goliath.

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