Raubzug unter Chiles Gletschern

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Unter drei chilenischen Gletschern wurde eines der größten Goldvorkommen der Welt entdeckt. Eine kanadische Minengesellschaft will jetzt das ewige Eis versetzen, doch die Bauern der Region fürchten um ihr Wasser.

Karg zieht sich die Landschaft dahin. Gerissener Boden, Kakteen, Gestrüpp, Trostlosigkeit. Am Horizont die Hänge der Anden, bis zu 6.800 Metern hoch in dieser Gegend, der "Región III." in Chile. Auf den Kuppen blinkt der Schnee, Ewiges Eis. Wie grüne Querstreifen schlängeln sich üppige Täler durch die Halbwüste davor. Hier wächst Wein, hier sprießt Mais, hier weiden Ziegen. Die Täler nähren sich vom Gletscherwasser der Anden, einzige Süßwasserquelle in dieser trockenen Gegend. Sie sind die Hauptschlagader der Region, sind so wichtig, dass die meisten Ortsnamen nach ihnen benannt werden: Valle, Tal.

So auch das Valle San Félix, gut 800 Kilometer nördlich von Santiago de Chile, genau an der Grenze zu Argentinien. Hier schenkt der Fluss Huasco Leben. Doch unter seinem Ursprung, den Gletschern Toro I und II sowie Esperanza liegen begehrte Schätze: Gold, Silber und Kupfer - in der Mine Pascua Lama findet sich eines der größten Goldvorkommen der Welt. Dieses zu bergen, tritt der kanadische Konzern Barrick Gold Corporation an. Auch wenn er dafür Gletscher versetzen muss.

Zwanzig Hektar Gletschermasse (rund 25 bis 30 Fußballfelder will die Barrick Gold in Blöcken aus ihrem Ursprungsbett schneiden, um an die begehrten Edelmetalle zu kommen. Mit Lastern soll das Eis zur Spitze des Gletschers Guanaco transportiert werden, wo es nach Aussage der Firma mit den dortigen Eismassen verschmelzen werde. Um den Transport überhaupt möglich zu machen, wird eine feine Sandschicht für die Lastwagenräder auf das Eis gestreut.

Gefährliches Experiment

"Was Barrick Gold in Chile vorhat, ist ein gefährliches Experiment", sagt Sara Larraín, Direktorin der Umweltorganisation Chile Sustentable (Nachhaltiges Chile), und gibt zu bedenken, dass die Gletscher sogar im Biosphärenreservat San Guillermo liegen, das unter dem Schutz der unesco steht. Larraíns argentinischer Kollege, der Biologe und Träger des Alternativen Nobelpreises, Raúl Monenegro, ist in seiner Ausdrucksweise direkter. Er nennt die Versetzung der Gletscher eine Barbarei, mit der drei der insgesamt 1751 Gletscher in Chile, die in ihrer Mehrzahl ohnehin rückläufig sind, unwiderruflich vernichtet werden. "Die Verlegung der Eisblöcke ist pure Kosmetik, die nichts an der Zerstörung der Ökosysteme ändert. Sie handeln vollkommen respektlos den Bewohnern der Region gegenüber und verhalten sich jetzt schon wie ein Staat im Staate", hat Montenegro dem Goldminenkonzern bei einer Anhörung der Umweltkommission des chilenischen Abgeordnetenhauses vorgeworfen.

70.000 Menschen betroffen

Das Projekt der Barrick Gold Corporation, des drittgrößten Goldförderer der Welt, geht zurück bis ins Jahr 1994. Damals suchte und fand der kanadische Unternehmer und Gründer des Konzerns, Peter Munk, das Vorkommen an der chilenisch-argentinischen Grenze mit schätzungsweise mehr als 17,6 Millionen Unzen Edelmetallen unter tausendjährigen Gletschern. Erstmalig wurde das Projekt im Jahr 2000 den chilenischen Behörden vorgelegt, die es ohne viele Fragen bewilligte. Damals hatte Barrick Gold einfach die Gletscher über der Mine verschwiegen. Bauern machten daraufhin auf die Existenz der Eismassen aufmerksam.

Schwarzgrau liegt die Mulde des Berges. Schotter und Geröll, dazwischen hingebreitet wie ein weißes Laken, eingepasst ins eigene Bett, das ewige Eis. Es blendet, es leuchtet weithin. Über 70.000 Menschen in den anliegenden Tälern wären von der Goldbergung betroffen. Ihre Lebensgrundlage könnte durch diese Arbeiten für immer zerstört werden. Die Bauern der Dörfer im Valle San Félix feiern, wenn es oben auf den Gipfeln der Anden schneit. Der Schnee auf der Höhe ist dann Tagesgespräch, Freude, die Garantie, dass der Fluss ausreichend Wasser bringt. Doch auch der Schnee in den Anden wäre nutzlos, stellten die Gletscher nicht die Grundversorgung mit Wasser sicher. Umweltschützer und Anwohner befürchten nun eine gravierende Störung des Ökosystems der Gegend. Das Vorhaben würde nicht nur die Gletscher der Region zerstören, sondern auch große Schäden durch die Manipulation und Verschmutzung der Wasservorräte durch den für die Fahrzeuge benötigten Sand sowie Benzin- und Ölverluste mit sich bringen. Schon eine Staubschicht von nur einem Millimeter Dicke auf einem Gletscher kann zu einer Erhöhung des Schmelzvorgangs um 15 Prozent führen. Ganz zu schweigen von den Rückständen bei der späteren Metallförderung. Die Folgeschäden, so Umweltschützerin Larraín, sind unkalkulierbar.

Obwohl sich das Minenprojekt noch im Prozess der Beantragung befindet, bewegt die Firma schon jetzt mit der Selbstverständlichkeit von Grundstückseignern Maschinen, Materialien und Personen in dem Sektor. Barrick Gold geht davon aus, 2006 mit dem Bau der Mine beginnen und sie 2009 in Betrieb nehmen zu können. Der im letzten Jahr von Chile und Argentinien ratifizierte Bergbauvertrag (Tratado de Integración Minera) ermöglicht nun auch eine Ausdehnung der Arbeiten auf die Provinz San Juan in Argentinien, in der rund 20 Prozent des Metallvorkommens liegen. Barrick Gold will damit das erste binationale Förderungsprojekt weltweit betreiben. Zwischen 1400 und 1500 Millionen us-Dollar sollen in die Mine investiert werden, von der man sich eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren verspricht. Für die Zeit der Konstruktion der Mine verspricht die Firma die Schaffung von 5500 Arbeitsplätzen. Zur späteren Betreibung des Tagebaus auf über 4000 Metern Höhe sollen 1600 Bergarbeiter eingestellt werden.

Mit Öl und Diesel verschmutzt

Bis vor kurzem liefen die Planungen größtenteils an der Öffentlichkeit vorbei. Chiles größte Tageszeitung El Mercurio berichtete nur kurz über das Projekt und stellte es lediglich aus der Sicht von Barrick Gold dar. Kritik wurde vollkommen ausgeblendet. So formiert sich erst jetzt Widerstand, nachdem auf die Ausmaße des Eingriffs in die Natur aufmerksam gemacht wurde; seither berichten einige wenige unabhängige Medien detailliert.

Dabei haben die ersten Tätigkeiten der Barrick Gold in der Region schon bleibende Schäden hinterlassen. Die Biologin und Ökologin Michaela Heisig von der Umweltkommission Río Huasco hält bei der Anhörung zum Projekt der Mine Pascua Lama vor dem chilenischen Abgeordnetenhaus Fotos hoch. Feste Materialien, von der Barrick Gold auf dem Gletscher Esperanza zurückgelassen, sind zu sehen. Sie beeinflussen die Fähigkeit des Gletschers, das Licht zu reflektieren. An den dunkleren Stellen wird nun Sonnenwärme absorbiert, was zu einem schnelleren Schmelzen des Eises führt. Auch in der argentinischen Provinz San Juan muss schon heute die Verschmutzung des Terrains durch giftige Abfälle geahndet werden.

Und auch da: George Bush

"Das Projekt Pascua Lama ist ein Symbol, ein Beispiel für die brutale Art der ökonomischen Entwicklung, wie sie in Chile durchgesetzt wird. Wir werden das Bewusstsein dafür wecken, dass ein solches Projekt nicht ausgeführt werden darf", sagt Marcel Claude. Der Direktor der Umweltschutzgruppe Océana Südamerika ist einer der Mitbegründer der "Front gegen Pascua Lama", die Ende letzten Monats ins Leben gerufen wurden. Anwohner, Umweltgruppen und Bauernverbände organisieren hier ein gemeinsames Vorgehen gegen den mächtigen Konzern. Denn die Barrick Gold Corporation besitzt nicht nur zwölf produzierende Minen in verschiedenen Ländern der Erde, sondern verfügt auch über enge politische Verbindungen. So gehörte unter anderem der Vater des jetzigen us-Präsidenten und vormalige Präsident George Bush zum Beraterstab des Konzerns.

Der Protest gegen den Raubbau an der Natur der Anden wird inzwischen auch von einigen namhaften chilenischen Künstlern, Rechtsanwälten, einem Senator sowie einigen Abgeordneten unterstützt. An der ersten massiven Demonstration gegen das Projekt vor Ort beteiligten sich Anfang Juni mehr als 2500 Menschen. Denn für die Bauern des Valle San Félix ist Wasser aus dem Gletscher mehr wert als alles Gold unter dem ewigen Eis.

Die Autorin ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Chile.

Weitere Info und Argumente zu diesem Projekt unter:

www.tierramerica.net

www.barrick.com

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