Pflichtversicherung versus Versicherungspflicht

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Pflichtversicherung versus Versicherungspflicht: was diese Debatte signalisiert, ist viel mehr als ein bloßes Wortspiel, aber auch weniger als eine revolutionäre Systemänderung. Wer sagt, dass sich infolge einer Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen (privaten) Kassen im Grunde gar nichts ändert - es sei denn zum Guten aufgrund des Wettbewerbs - weil ja ohnedies jeder weiter sozialversichert sein muß, verschweigt etwas: unter Marktbedingungen hat das Preis-Leistungs-Verhältnis allemal Vorrang vor Ideen wie Gemeinnützigkeit und Solidarität.

Aber wer als Folge der Abschaffung der staatlich verordneten und nicht immer ganz logischen Zuordnung zu bestimmten Pflichtversicherungen die "Zweiklassenmedizin" prophezeit, verschweigt auch etwas: dass nämlich schon bisher nicht jeder Versicherte im selben Ausmaß Zugang zu jeder Leistung hatte. Schon unser bisheriges System führt zu nicht unbeträchtlichen Diskrepanzen im Hinblick auf Selbstbehalte, Zuschüsse zu Heilbehelfen, Kuraufenthaltskosten etc. - und die Rücksichtnahme auf sozial und materiell Schwächere ist in etlichen Fällen zumindest diskussionswürdig. Gerade deshalb ist aber Wachsamkeit angesagt, ob privatwirtschaftliche, ökonomisch konkurrierende Versicherungsunternehmen sich nicht allenfalls die Rosinen aus dem Kuchen der potentiellen Versicherungsnehmer herauspicken: nämlich die junge, gesunde, männliche, erwerbstätige Klientel, und diese mit niedrigen Beiträgen und hohem Leistungsangebot ködern. Aber man darf privaten Versicherungsträgern auch zutrauen, Risikoklientel so zu definieren, dass Menschen ab einem gewissen Alter gesundheitsbewußter leben, weniger trinken und rauchen, bedachter Auto fahren etc. Unter der Voraussetzung, dass klar definierte Standardleistungen schon bei gesetzlich garantierter Mindestprämie gesichert sind, spricht kaum etwas gegen Wahlfreiheit: die ja bei der Autohaftpflichtversicherung ganz selbstverständlich gegeben ist - einschließlich der Bemühung, sich im Bonus-Malus-System günstig zu platzieren.

Nicht, dass ein solches im Gesundheitswesen ohne weiteres vertretbar wäre - aber halb soviel Aufmerksamkeit in bezug auf die eigene Gesundheit wie auf die Autopflege wäre schon ein Fortschritt ...

Die Autorin ist Professorin für Gesellschaftspolitik an der Universität Linz.

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