Risken der Lärmverschmutzung

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Mediziner gehen heute davon aus, dass Jugendliche aufgrund lauter Musik schlechter hören als noch vor zehn Jahren. 40 Prozent der österreichischen Bevölkerung fühlen sich gemäß Umfrage der Statistik Austria in ihrer Wohnung durch Lärm gestört. Und Schätzungen zeigen, dass in der EU mehr als 30 Prozent der Bevölkerung einer gesundheitlich relevanten Lärmbelastung ausgesetzt sein könnten, vor allem aufgrund von Verkehrslärm. Neben der Luftverschmutzung zählt der Lärm daher zu den wichtigsten Herausforderungen der Umweltmedizin.

"Die gesundheitlichen Auswirkungen von Lärmbelastung werden von den politischen Entscheidungsträgern leider noch kläglich unterschätzt“, berichtet Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner an der MedUni Wien. "Auf unserem Weg in die 24-Stunden-Gesellschaft ist insgesamt eine Zunahme des Lärmpegels zu erwarten; umso wichtiger wären striktere Lärmschutzregelungen.“

Aus evolutionärer Sicht hat der Hörsinn eine zentrale Funktion als "Alarmsystem“, um potenzielle Gefahrenquellen signalisieren zu können: Das war in Urzeiten überlebenswichtig, um das Wild aufzuspüren oder bei der Jagd nicht das Leben zu verlieren. Diese Alarm-Reaktionen sind in den ältesten Schichten des Nervensystems verankert. Die Existenz von Autobahnen, Presslufthämmern oder Diskotheken freilich hat sich in der Evolution noch nicht niedergeschlagen. Bei lärmbedingter Störung der Erholung reagiert der Organismus daher weiterhin mit einer "Kampf- und Flucht-Bereitschaft“.

Längerfristig kommt es dadurch zu einer chronischen Verstärkung der Stressreaktionen im vegetativen Nervensystem. Das Risiko für chronische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems steigt - vom Bluthochdruck bis zum Herzinfarkt. Aber auch Schlaf-, Hormon- und Stoffwechselstörungen können die Folge sein.

Zudem sind weitere Auswirkungen von Lärmbelastung zu beachten: die Beeinträchtigung von Konzentration und Gedächtnis sowie in emotionaler Hinsicht Frustration und Rückzug oder auch Ärger und Wut, wie Hutter zu berichten weiß: "Wegen Lärmbelastung kommt es regelmäßig zu tätlichen Auseinandersetzungen. Ebenso wurden in ‚verlärmten‘ Gebieten Verhaltensunterschiede festgestellt, wobei zum Beispiel die Hilfsbereitschaft der Menschen geringer ausgeprägt ist als in ruhigeren Gegenden.“ Auch das Gefühl der Ausweglosigkeit erhöht das lärmbedingte Gesundheitsrisiko.

Und so wie die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung oder das Burn-out-Syndrom erhält auch der Tinnitus, bei dem Geräusche ohne äußere Schallquelle wahrgenommen werden, in einer Gesellschaft der programmatischen Reizüberflutung einen bezeichnenden Charakter: als ständiges Rauschen.

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