Solidarität braucht Struktur

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Das Österreichische Komitee für Soziale Arbeit widmet sich grundsätzlichen Fragen des Sozialstaates. Thema des Jahres 2010: Langzeitpflege in einer solidarischen Gesellschaft.

Die Herausforderungen an das Pflegewesen sind tatsächlich enorm: Bis zum Jahr 2050 wird sich die Anzahl der über 65 Jahre alten Personen in der Europäischen Union um 63 Millionen auf 150 Millionen erhöhen. Die Gruppe der Hochbetagten, also der Personen über 80 Jahre, wird die am stärkste wachsende Gruppe in der Bevölkerung sein. Das Österreichische Komitee für Soziale Arbeit (ÖKSA) stellte daher die Thematik "Langzeitpflege in einer solidarischen Gesellschaft - Herausforderungen und Chancen" in das Zentrum ihrer heurigen Jahreskonferenz im November im Innsbruck. Lösungen für die Problematik gäbe es, und zwar trotz teils äußerst schwieriger Rahmenbedingungen.

Mangel an Personal

Die Alterung der Gesellschaft schränke den finanziellen Spielraum des Staates ein, erläutert Thieß Petersen (Gütersloh) zum Auftakt der ÖKSA-Tagung: Eine sinkende Anzahl von Steuer- und Beitragszahlern habe wachsende Anforderungen an den Staat zu finanzieren. Die Verteilungskonflikte würden zunehmen, weil stets weniger Menschen ein Bruttoinlandsprodukt herstellen. Dieses müsse zudem mit einer wachsenden, altersbedingt nicht mehr arbeitsfähigen Bevölkerungsgruppe geteilt werden. Zugleich fehle es an Personal: In allen Industrieländern werden zu wenige Health Professionals, also Fachkräfte für den Gesundheitssektor ausgebildet, berichtete Beat Sottas (Zürich) vor der Expertenkonferenz. Dieser quantitative und qualitative Mangel werde derzeit noch durch Arbeitsmigranten verdeckt, sei aber auf Dauer so nicht zu beseitigen.

Österreich lebt vom Zuzug dieser Personen: Nahezu 15 Prozent aller hier tätigen Pflegekräfte sind im Ausland geboren. Ein Zehntel aller Personen, die in einem Pflege- oder Altenheim arbeiten, habe die Ausbildung außerhalb Österreichs absolviert. Diese Pflegekräfte berichten allerdings gegenüber Studienautoren, dass ihnen die Integration in Österreich schwer falle und sie dafür lediglich marginale Unterstützung erhielten.

Wo angesetzt werden könnte, zeigte unter anderem Josef Kytir (Statistik Austria) auf. Abgesehen vom Grundgedanken der Solidarität bräuchte es, als zweites, Reformen und Anpassungen in vier politischen Bereichen: im staatlichen Pensionssystem, in der Gesundheitspolitik und in der Langzeitpflege, der Beschäftigungs- sowie in der Migrations- und Integrationspolitik.

Reformen sind nötig

Was dies konkret bedeuten könnte, schilderte Thieß Petersen in einigen wenigen Punkten: Längere Lebensarbeitszeit, höhere Erwerbsbeteiligung, gesteigerte Produktivität, mehr ehrenamtliches Engagement und Eigenverantwortung sowie stabilere öffentliche Einnahmen. Letzteres würde bedeuten, den Faktor Arbeit zugunsten von Kapital steuerlich zu entlasten.

Das Österreichische Komitee für Soziale Arbeit wird als überparteilicher Verein von den großen Wohlfahrtsorganisationen getragen. Mit der Jahreskonferenz 2010 hat das ÖKSA zum Bewusstsein der Problematik der Langzeitpflege beigetragen, zugleich haben Experten mögliche Lösungen aufgezeigt. Die Solidarität der Gesellschaften beruht auf Vertrauen, welches die Sozialpolitik zu festigen hat.

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