Wenn die Einbildung krank macht/Kein "Privileg" der Frauen

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Hypochondrie ist eine Angststörung und gehört daher behandelt, sagt der Wiener Arzt und Psychotherapeut Johannes Diettrich. Psychologen und Psychotherapeuten können helfen, diese Angst wieder in den Griff zu bekommen.

Die Furche: Wann beginnt diese Krankheit und welche Personengruppen sind besonders anfällig?

Johannes Diettrich: Hypochondrie beginnt meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Sie ist kein Privileg der Frauen. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Sie ist außerdem in allen sozialen Schichten anzutreffen.

Die Furche: Kann Hypochondern geholfen werden?

Diettrich: Es handelt sich dabei um eine Angststörung. Beim Auftreten dieser Erkrankung sollte man einen Psychologen oder Psychotherapeuten aufsuchen. Wenn sie unbehandelt bleibt, wird die Störung meist chronisch.

Die Furche: Wie gehen Sie in Ihrer Praxis mit Hypochondern um?

Diettrich: Ich gehe mit jedem Patienten so um, dass ich zunächst einmal eine Beziehung zu ihm aufbaue. Danach veranlasse ich alle notwendigen Untersuchungen. Es gibt ja - nach amerikanischem Vorbild - schon eine Art Absicherungsmedizin. Arzt und Patient sind im gleichen Maße daran interessiert, dass alle Untersuchungen gemacht werden. Wird keine Erkrankung festgestellt, kann man auf Grund von Gesprächen erkennen, welche seelischen Störungen und Konflikte hier beteiligt sind, und eine entsprechende psychotherapeutische Behandlung empfehlen.

Die Furche: Fühlen sich Patienten, deren Krankheiten man als eingebildet einstufen muss, nicht sehr unverstanden?

Diettrich: Hier ist es eben außerordentlich wichtig, eine wirklich tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung aufgebaut zu haben. Ich rate den Betroffenen in diesen Fällen auch oft zu autogenem Training. Wir nennen dies das Basis-Psychotherapeutikum, weil es den Menschen dazu bringt zu erkennen, dass die Seele eine Funktion hat, und dass wir sehr viel selbst in eine positive Richtung beeinflussen können. Wenn die betroffene Person schon lange unter Hypochondrie leidet, ist die Behandlung aber meist sehr schwer.

Die Furche: Können Hypochonder überhaupt erkennen, dass ihre Symptome nicht körperlicher Natur sind, sondern andere Ursachen haben?

Diettrich: In den seltensten Fällen. Die meisten Ärzte sind aber heute soweit ausgebildet, dass sie den Zusammenhang einer Krankheit mit Ängsten und Denkschemata erkennen können und den entsprechenden Psychotherapeuten empfehlen.

Die Furche: Welche Leiden sind bei Hypochondern besonders beliebt?

Diettrich: Alle gefährlichen und zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht heilbaren Krankheiten die mit diffusen Symptomen beginnen wie beispielsweise Multiple Sklerose und Gehirntumore.

Das Gespräch führte Angela Thierry.

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