Architektur der Phantasie

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"Beyond the Blue" zeigt eine umfassende Werkschau der Starplaner COOP HIMMELB(L)AU.

Die Grenzen des Machbaren auszuloten und konventionelle Raumvorstellungen zu sprengen, war seit jeher das Ziel von COOP HIMMELB(L)AU. Zerklüftete Wandformationen aus Sichtbeton, stromlinienförmige Transparenz, hochstrebende Wolkenkratzer, riesige, weiche Dachlandschaften: fast jeder Bau ist eine Sensation, spektakuläre Formenvielfalt ihr Markenzeichen. COOP HIMMELB(L)AU sind die Gipfelstürmer unter Österreichs Architekten. Hell leuchtet ihr Stern am Himmel der internationalen Stars. Unter dem Titel "COOP HIMMELB(L)AU. Beyond the Blue" zeigt das MAK nun eine umfassende Werkschau.

Multinationale Stadt

Jedes Projekt beginnt mit einer Vision. In einem Raum sind über 170 Modelle aus 40 Jahren auf Tischen zum künstlichen Stadtgefüge aufgebaut. Ein diagonaler Weg schlägt sich eine Schneise durch die 80 exemplarischen Projekte, die eine dichte, urbane Struktur made by COOP HIMMELB(L)AU bilden. Verschiedene Maßstäbe, Funktionen, Wettbewerbe und Realisiertes treffen hier aufeinander. Das dynamische Stadtentwicklungskonzept für Melun Sénart (1995) gab die Richtung vor: es bildet den Eckstein der Nachbarschaften und Zentren dieser multinationalen Stadt.

"Wir wollten keine Fakten zeigen, sondern die Arbeit von COOP HIMMELB(L)AU auf eine andere Art vermessen. Also nahmen wir die Modelle und bauten daraus diese Stadt, die ein sehr dynamisches Raumgefühl vermittelt. Man kann nicht vom Beginn zum Ende einer Entwicklung wandern: alles existiert gleichzeitig", sagt Kurator Jeffrey Kipnis. Der Wohnwolkenpionier des Jahres 1968, die Sykline - Silhouette für eine Stadt wie Hamburg (1985), die Wiener Gasometer (1995-2001), der UFA Kinopalast in Dresden (1993-98) das offene Haus in Malibu (1983/88-89), das Museum in Groningen (1993-94), der im Planungsstadium steckende Busan Cinema Komplex (2005-10) und viele andere Marksteine spannen hier einen weiten Bogen über Zeit und Raum. "Architekten haben sich prinzipiell mit der Zukunft zu beschäftigen", kommentiert Wolf D. Prix die retrospektive Installation bei der Pressekonferenz trocken. "Diese Bauten sind keine Einzelleistung, wir haben immer im Team gearbeitet. Uns geht es um die dreidimensionale Gestalt. Kein Wunder: Die Jugendlichen in den Pariser Banlieues zerstören ihre Schulen, weil Kisten keine Möglichkeit zur Identifikation bieten."

Im zweiten Saal werden drei aktuelle Projekte präsentiert. Hier steht ein Modell der BMW-Welt in München (2001-007) mit ihrem charakteristischen Doppelkegel, aus dem sich eine gigantische Dachform entwickelt. Spektakulär wölbt sie sich über die automobilbestückte Plattform zur PKW- Übergabe. Die Pläne mit der Axonomie ihrer Untersicht und der Fassadenabwicklung lassen vage den Aufwand erahnen, der in der Realisierung steckt. An den 74 Styropormodellen zum Projekt der Europäischen Zentralbank in Frankfurt (2003-2011) lässt sich ablesen, wie der leicht verschränkte Doppelturm mit der gläsernen Mitte zu seiner endgültigen Form fand. Dynamische Luftbrücken, grüne Kaskaden und abgehängte Lobbys beleben das zentrale, vertikale Atrium mit dem ressourcenschonenden Belüftungs- und Kühlungssystem. Auch zum Musée des Confluences in Lyon (2001-2009), aus dessen kristallin zerklüfteter, dachflächenbildender Fassade, die peripher an digitale Strukturen erinnert, ein wolkenhaftes Gebilde aus Glas und Stahl ausbricht, gibt es viele Modelle.

40 Jahre Teamgeschichte

Wirklich spannend wird es an der Wand, die 40 Jahre Teamgeschichte Revue passieren lässt. "Coop Himmelblau ist keine Farbe, sondern die Idee, Architektur mit Phantasie leicht und veränderbar wie Wolken zu machen", lautete das Programm, mit dem Wolf D. Prix, Helmut Swiczinsky und Michael Holzer unter dem gleichnamigen Label 1968 losstarteten. Damals gab es für Jungarchitekten nicht viel zu bauen, dafür blieb umso mehr Zeit und Energie, um die Welt der Architektur aus den Angeln zu heben und neu zu erfinden. COOP HIMMELB(L)AU träumten lauter und produzierten Utopien am laufenden Band. Auf einen pneumatischen Wohn-Prototypen namens Villa Rosa folgte für der Wohnorganismus der Zukunft für die documenta V: eine Wolke aus den Baustoffen Luft und Dynamik.

"Wir wollen Architektur, die mehr hat. Architektur, die blutet, die erschöpft, die dreht und meinetwegen bricht. Architektur, die leuchtet, die sticht, die fetzt und unter Dehnung reißt. Architektur muß schluchtig, feurig, glatt, eckig, brutal, rund, zärtlich, farbig, obszön, geil, träumend, vernähernd, verfernend, naß, trocken und herzschlagend sein. Lebend oder tot. Wenn sie kalt ist, dann kalt wie ein Eisblock. Wenn sie heiß ist, dann so heiß wie ein Flammenflügel. Architektur muß brennen." Um dem Nachdruck zu verleihen, wurde 1980 eine 15 Meter hohe, 1,5 Tonnen schwere Stahlkonstruktion vom Hof der TU Graz abgehängt und effektvoll in Flammen gesetzt.

Rund um den Globus

Love, Sex and Rock'n Roll: die Rolling Stones verkörperten das energiegeladene Lebensgefühl, das COOP HIMMELB(L)AU zu Architektur machen wollten. In der dekonstruktivistisch inspirierten, stromlinienförmigen Dynamik des Wiener Dachausbaus in der Falkestraße (1983/1987-88) konnten sie es umsetzen. Er brachte ihnen den internationalen Durchbruch und einen Fixplatz in der Architekturgeschichte. Bis heute verkürzt "Gimme shelter" von den Rolling Stones die Wartezeit bei einem Anruf in ihrem Wiener Büro. Es ist nicht das einzige: längst landete COOP HIMMELB(L)AU in der Realität des Erfolgs. Es ist ein internationales Label mit Dependancen in Los Angeles, Ohio, Frankreich und Mexiko.

COOP HIMMELB(L)AU Beyond the Blue MAK-Ausstellungshalle Weiskirchnerstraße 3, 1010 Wien

Di MAK NITE©10.00-24.00 Uhr

Mi - So 10.00-18.00 Uhr

Mo geschlossen

Bis 11. 5. 2008

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