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FRIEDRICH MORTON / EIN RASTLOSER HUMANIST

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„Heute bin ich Botaniker, morgen sitze ich über archäologischem Fundmaterial.“ So charakterisiert Regierungsrat Doktor Friedrich Morton sein vielfältiges Wirken in verschiedenen Kategorien, die er niemals streng trennte. Als der Gelehrte vor achtzehn Jahren in den Ruhestand versetzt wurde, bedeutete dies für ihn, dem nach seinen eigenen Worten Gott als kostbares Geschenk eine unbändige Arbeltsfreude In die Wiege legte, wohl nur eine äußerliche Zäsur. Nun feiert Friedrich Morton am 1. November in seinem Hallstötter Heim den 75. Geburtstag.

Friedrich Morton und Hallstatt — das ist eine selbstverständliche Gedankenverbindung, seit dieser Wissenschaftler den Ort am See zum Zentrum der prähistorischen Forschung in Österreich machte. Eigentlich war es ein Umweg, der den aus Görz gebürtigen Offizierssohn nach dem Biologiestudium zu seiner großen Lebensaufgabe führte. 1917 begann der junge Botaniker mit der Erforschung der Höhlenflora und publizierte den Band „Höhlenpflanzen“, eine Monographie, die heute noch ein Standardwerk ist. 1922 zum staatlichen Verwalter der Dachsteinhöhlen ernannt, zog Morton nach Hallstatt. „Und da erkannte ich, welch ungeheures Gebiet der Vorgeschichte hier zu bearbeiten war!“

Durch intensives Selbststudium wurde aus dem Botaniker bald auch ein Prähistoriker. Mit gleicher Gründlichkeit bildete sich Morton in der wissenschaftlichen Photographie aus. Vom vorgeschichtlichen Salzbergbau ausgehend, schuf er das Hallstätter Museum in seiner heutigen Gestalt, das nun pro Jahr rund 28.000 Besucher zählt, überdies begründete er eine Botanische Station. 1936 bis 1939 gelang Morton die Freilegung eines großen Gräberfeldes, was in Fachkreisen beträchtliches Aufsehen erregte, da man mit Fundstellen solchen Ausmaßes nicht mehr gerechnet hatte.

Universaler Geist, der er ist, bezog der Gelehrte auch die Volkskunde des Salzkammergutes in seine Arbeit ein, ebenso wie den Natur- und Denkmalschutz seiner Wahlheimat. Vor einigen Jahren, während der lebhaften Diskussionen um die Hallstattstraße, warf Morton sein Ansehen als Wissenschaftler und als Mensch in die Waagschale. Unbekümmert um Feindschaften, die ihm daraus erwachsen mochten, verschaffte sich der Mahner Gehör — das Ortsbild blieb unversehrt, der Autotourismus spielt sich im Tunnel ab.

In den fünfziger Jahren schrieb Friedrich Morton sein großes dreibändiges Werk über Hallstatt: „Hallstatt und die Hallstattzeit“, „Hallstatt, die letzten 150 Jahre des Bergmannsortes“ und „4500 Jahre Hallstatt im Bild“. Die Bibliographie Mortons füllt viele Seiten, führt sie doch fünfzehn Bücher und an die siebenhundert fachliche und populärwissenschaftliche Publikationen an, darunter zahlreiche Einzeldarstellungen über die römische Niederlassung. „Seit Jahrzehnten grabe ich ganz nah bei meinem Haus.“ Um so bedenklicher ist die Tatsache, daß keine Institution dem Gelehrten die Möglichkeit bietet, die

„Arbeiten aus der Botanischen Station in Hallstatt“ in entsprechender Form zu veröffentlichen, so daß er sie notgedrungen auf eigene Kosten hekto-graphiert erscheinen lassen muß!

Studienreisen in die Urwälder Mittelamerikas, über die er in seinem sehr erfolgreichen Buch „Xelahu“ berichtete, in die Wüstengebiete Ägyptens, ins abessinische Bergland und in den Karst vertieften nur 'Mortons Liebe zur österreichischen Alpenwelt, deren Gipfel er noch in einem Alter erstieg, in dem andere Männer nur mehr bis zum nächsten Pensionistenbänkerl gehen.

In gesegneter Rastlosigkeit wird Friedrich Morton nun Fünfundsiebzig, ein kämpferischer Humanist, der in reifer Rückschau von der Höhe der Jahre das Bekenntnis ablegt: „Ich glaube, daß der Mensch, dem von Gott als Pfand geistige Fähigkeiten in die Wiege gelegt wurden, verpflichtet ist, es zu mehren und mitzutun im Kampf gegen die Unkultur unserer Zeit, immer wieder darauf hinzuweisen, daß Mensch und Pflanze und Tief Geschöpfe Gottes sind, die geachtet und geschützt werden müssen. Die immer mehr um sich greifende Naturentfremdung ist mitschuldig an vielem Unheil unserer Zeit.“

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