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Österreichs Last

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Österreich darf nicht verteufelt, seine internationalen Kontakte müssen wieder halbwegs normal werden. Der christlich-jüdische Dialog ist dazu der einzig gangbare Weg.

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Österreich darf nicht verteufelt, seine internationalen Kontakte müssen wieder halbwegs normal werden. Der christlich-jüdische Dialog ist dazu der einzig gangbare Weg.

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Die junge Generation in Österreich wird derzeit durch den Fall Waldheim „unfair belastet“. Der das sagt, Frederic Morton, 1924 als Fritz Mandelbaum in Wien geboren, ist jüdischer Emigrant, bedeutender Literat und Österreicher aus tiefster innerster Uberzeugung. Im Wiener Hildegard Burjan-Institut mit seinem Club Alpha, einem Treffpunkt für engagierte Frauen, plädierte Morton vor kurzem für „halbwegs normale internationale Beziehungen Österreichs“ und sprach sich dezidiert gegen eine „Verteu-felung“ des Landes aus.

Morton, der am letzten Sonntag im Rahmen der Veranstaltung „Schalom für Österreich“ in der Wiener Hofburg (siehe untenstehenden Beitrag) über die Notwendigkeit und Möglichkeit Österreichs sprach, mit der Last seiner Vergangenheit fertig zu werden, ließ im Club Alpha keinen Zweifel daran aufkommen, daß Österreich durch allzu leichtfertige Verallgemeinerungen heute Unrecht geschieht. „Deswegen kommt es wieder zu antisemitischen Tendenzen, die vielleicht sonst nicht da wären.“

Trotz des Falles Waldheim habe er, Morton, persönlich in Österreich „überhaupt nichts Antisemitisches bemerkt“; er wisse nicht, wieweit man den „Fall Hödl“ — der Linzer Vizebürgermeister hat nach Mortons Worten „auf primitivste Vorurteile gegen Juden zurückgegriffen“ — verallgemeinern kann. Energisch wandte sich Morton gegen antiösterreichische Einstellungen, für die der Antisemitismus als eine österreichische Charaktereigenschaft gilt. „Einen gewissen Antisemitismus gibt es überall“ — so Morton, der darauf hinwies, daß die Umbenennung von Mandelbaum in Morton aufgrund antisemitischer Vorurteile in den USA erfolgt sei.

Wenn es um Normalisierung der Beziehungen Österreichs mit den Juden gehe, müßte österrei-chischerseits das Gefühl abgebaut werden, „daß die Juden doch unsere Feinde sind“, sagte Morton. Um das zu bewerkstelligen, sollten jüdische Kreise — wie etwa der Jüdische Weltkongreß — mit ihren Verteufelungsaktionen Schluß machen. In einer zynischen Zeit, in der es Mode oder-Sucht sei, Illusionen so scharf wie möglich zu zerstören, habe eis Österreich sehr schwer, sein „mit Lust vernichtetes liebliches Image“ wiederherzustellen.

In diesem Zusammenhang, so Morton, müßte Österreich konkretere Schritte gegen falsche Darstellungen und Berichte unternehmen und gegen jene Profi-lierungswut amerikanischer Politiker auftreten, die in überzogenen Angriffen auf den österreichischen Bundespräsidenten zum

Ausdruck komme. Morton verwies in diesem Zusammenhang auf ein Interview des scheidenden US-Botschafters in Wien, Ronald S. Lauder in der „New York Times“. Er, Morton, habe sich sehr gewundert, daß auf Lauders darin aufgestellte Behauptung - Hödls Brief an den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses Edgar Bronfman habe in Österreich keinen Widerspruch gefunden - keine Richtigstellung aus Österreich gekommen sei.

Trotz allem muß Österreich -das ist Uberzeugung des jüdischen Emigranten - zum erstenmal „gründlicher als normal“ über seine Vergangenheit sprechen. „Das lang Unterdrückte kommt zum Vorschein, und das ist momentan eine Belastung.“

Ein durch die Affäre Waldheim verdüstertes und verzerrtes Bild Österreichs gehört - wie Morton forderte - durch Verstehen der Geschichte wieder zurechtgerückt. Ohne die Peiniger entschuldigen zu wollen, könne er verstehen, daß Hitlers Reichsidee im Österreich und Wien der dreißiger Jahre begeistert aufgenommen worden sei. „Viele Amerikaner können diese Seite gar nicht sehen, die ich als Dreizehnjähriger im damaligen Wien erlebte.“.

Frederic Morton - politisch heute am ehesten im grünen Lager anzusiedeln - ist auf der Suche nach seinen österreichischen Wurzeln. Und er vermißt stark, daß sich das Land um jene Emigranten kümmert, die hier „vor allem Heimat suchen“.

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