Kunst und Religion fallen hier in eins

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Das Kunstmuseum Liechtenstein etabliert sich mit der Entdeckung von Günter Fruhtrunk endgültig als eine Institution im Bodenseeraum. Den Vergleich mit den Kunstflaggschiffen wie dem Kunsthaus Bregenz braucht das Kunstmuseum nicht zu scheuen.

Günter Fruhtrunk, das ist nach dem Besuch dieser Ausstellung in Vaduz klar, ist nicht nur das Comeback des Jahres, sondern die längst fällige Wiederentdeckung eines Künstlers, der in seinen Diagonalen Streifen dem Betrachter nichts weniger als Ausschnitte eines universalen, gigantischen, über das Physische hinausgehende, eben meta-physischen Farb-Klang- Universums schenkt. So wie ein Jean Luc Godard in seinen experimentellen Filmen das Medium selbst zum Thema macht, in dem er Bildausschnitte wählt, die den gefilmten Raum als gefilmt offenbaren, genauso malt Günter Fruhtrunk in seinen großformatigen Werken nur einen Teil jener universalen Vision, die er bei seiner Arbeit vor Augen hatte. Wahrscheinlich war es auch das ständige Hören von Johann Sebastian Bach und Olivier Messiaen, das den großen Maler zu diesen "rhythmisierten Farbintervallen“ anregte, die wie ein "Ausschnitt aus einem großen Gefüge wirken, dessen Ordnungsprinzip sich aber letztlich unserem Zugriff entzieht“ (Katharina Arnold).

Abschied von Geometrie, hin zur Farbe

Die Ausstellung von Günter Fruhtrunk, der 1923 in München geboren wurde und 1982 durch Selbstmord aus dem Leben schied, ist im Kunstmuseum in Liechtenstein weitgehend chronologisch gehängt. Auf diese Weise lässt sich die Entwicklung des späteren Professors an der Akademie der Bildenden Künste München (ab 1967) gut nachvollziehen. Der junge Fruhtrunk war früh in Paris gewesen, wo er sich vom Konstruktivismus eines Malewitsch abwandte und von den geometrischen Formen wie Kreis, Kreisausschnitt, Rechteck und Kreuz zu einem Vorzug der Farbe in seinen charakteristischen Diagonalen Streifen fand. Die verschieden breiten Streifen werden horizontal, vertikal oder diagonal gesetzt, dabei entsteht beim Betrachter so etwas wie ein existenzielles Oszillieren, im Akt des Betrachtens wird sich der Betrachter bewusst, dass er betrachtet. Günter Fruhtrunks Kunst hat ohne Frage etwas Meditatives. Es sei die Bemerkung gestattet, dass Kunst und Religion, Malen und Beten in gewisser Weise hier in eins fallen, wiewohl in diesem Zusammenhang Religion mehr als die Achtsamkeit des Zen-Buddhismus und nicht als die Erfahrung eines persönlichen, christlichen Gottes definiert sein mag.

Eine erstmalige Entdeckung hier in Vaduz ist eine Sammlung von kleinformatigen Arbeiten aus dem Nachlass des Künstlers, die als Studien oder aber auch als abgeschlossene Werke betrachtet werden können, deren kunsthistorisch endgültige Bewertung allerdings noch aussteht. Fulminant ist jedenfalls der letzte Raum, der wandfüllende Werke versammelt, die in ihren Titeln oft direkt auf die von Fruhtrunk so geliebte und im Arbeits-Alltag ihn ständig begleitende klassische Musik anspielen. Da gibt es Werke wie "Staccato (1970)“, "Cantus Firmus (1968)“ oder "Große Kadenz (1973)“. Alles aber ist getaucht in eine große Stille in der die reinen Klänge und Farbintervalle um so klarer zu hören und zu sehen sind, und wieder ist es dieses immaterielle riesige Kraftfeld, das so wie die Töne einer verzaubernden Musik, den Raum durchzieht.

Der Künstler ist sein Licht

Beachtenswert ist das in seinem Todesjahr 1982 geschaffene ca. 2 x 3 Meter große Bild "Orpheus“. Es ist ganz in Schwarz gehalten, abgesehen von leichten weißen Streifen, die das Bild schräg durchziehen. Orpheus der als Lebender ins Totenreich hinabsteigen muss, ist eine überaus scharfe existenzielle Metapher für einen Künstler, der in seiner Not und Depression den Freitod wählte und durch die Hölle des eigenen Ichs gehen musste. Nietzsches Worte "Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss“ sind hier sehr, sehr nahe. Seine schönste Zeit verbrachte Günter Fruhtrunk vielleicht in den Ateliers seiner französischen Künstlerkollegen Fernand Leger und Jean Arp in den 50er- Jahren in Paris, wobei letzterer ihm sogar ein Gedicht mit Anklängen an F. Nietzsche gewidmet hat. Es ist beachtlich, wie Günter Fruhtrunk seinen ganz eigenen Stil gefunden hat, der ohne Frage zum Welt-Kunst-Erbe zu rechnen ist. Das hohe Maß an philosophischer Reflexion, die Fruhtrunk seinem Werk zugrundelegte, lässt sich in einem Leseraum in der Ausstellung nachvollziehen, wo Hegels "Phänomenologie des Geistes“ neben Sartres "Das Sein und das Nichts“ und sämtlichen Monografien des Künstlers eingesehen werden können. Das Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz, zwanzig Minuten von der österreichischen Grenze bei Feldkirch, ist diesen Sommer jedenfalls für alle Kunstfreaks eine Reise wert.

Günter Fruhtrunk Farbe Rhythmus Existenz

Kuntmuseum Liechtenstein, bis 2. September

Städtle 32, 9490 Vaduz

geöffnet: Dienstag bis Sonntag

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