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Von Bauern, Föhren und Felsen

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Es ist weit mehr als hundert Jahre her, da wurde den Behörden hinterbracht, ein „Individuum namens Waldmüller“ treibe sich in der Gegend der Brühl umher und halte die Kinder vom Schulbesuch und anderen nützlichen Betätigungen ab, um sie zu zeichnen und zu malen. Die Dinge scheinen sich demnach nicht ganz so gemütvoll-biedermeierlich abgespielt zu haben, wie es Josef Engelhart in seinem Waldmüller-Denkmal im Wiener Rathauspark darstellt.

In Beethovens „göttlicher Briel“, die nebst anderen Landschaften rund um Wien in vielen wohlfeilen Wanderbüchlein des Vormärz auf das empfindsamste geschildert wird, in der Höldrichsmühle, dem Schauplatz erdachter bittersüßer Schubert-Geschichten, veranstaltet das Kulturreferat der niederösterreichischen Landesregierung gemeinsam mit der österreichischen Galerie eine Fer-dinand-Georg-Waldmüller-Ausstellung zum 100. Todestag des bedeutendsten Realisten der österreichischen Malerei des 19. Jahrhunderts. Eine kleine, intime Schau, etliche dreißig Bilder aus der späten Schaffensepoche des Meisters, in- und ausländischer Museums- und Privatbesitz. Auch hier folgte man dem gleichen Konzept wie bei den „großen“ niederösterreichischen Kunstausstellungen der vergangenen Jahre, den Ausstellungsort nach seinen unmittelbaren Beziehungen zum Thema zu wählen, so daß sich aus der vielfältigen — nicht zuletzt den unwägbaren — Wechselwirkungen ein in sich geschlossener Erlebnisbereich ergibt.

Waldmüllers Spätwerk entstand größtenteils im südlichen Wienerwald; seine unbedingte Wirklichkeitstreue in der künstlerischen

Wiedergabe landschaftlicher und topographischer Erscheinungsformen ermöglichte bei vielen Motiven noch in unseren Tagen durch Vergleiche die Lokalisierung seines Standortes. Im Alleingang suchte er in der Natur die reale Wahrheit mit ihrem kühlen Morgenlicht und der hohen Sonne der Sommertage zwischen Felsen und Föhren, nicht die idealisierte „höhere“ Wahrheit akade-demischer Lehrauffassung. Er griff hinein ins ärmliche Leben der Wienerwaldbauern, und wo er's packte, da war es interessant. Scharfeinstellung auf die Rauchkuchel, wo die Mutter an die Kinder Suppe austeilt, auf den glühenden Ofen des Kalkbrennens, Hochzedtsfest blaube-strumpfter Perchtoldsdorfer „Hau-rer“ in Totale, unterm Baum fidein und dudeln die Musikanten. Werktag mit dem Ochsengespann auf ausgefurchtem Weg und in blühenden Gärten bei schindelgedeckten Häusern, wie man sie im Gebiet um Gaaden und Sparbach noch findet. Die Ausstellung bleibt bis 19. September geöffnet. In steigendem Maß interessiert sich nun auch die kulturhistorische und volkskundliche Forschung für Waldmüllers Werke, die sie als Dokumente wertet. Man kann sich nur wundern, daß dies nicht schon längst selbstverständlich war.

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