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Auf das Gemüth des Beschauers wirken

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Am 15. Jänner jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag des großen österreichischen Biedermeier-Malers Ferdinand Georg Waldmüller - ein Anlaß, der die Fragestellung nach dessen erstaunlich großer Popularität rechtfertigt. Ferdinand Georg Waldmüllers (1793-1865) Werke befinden sich heute in bedeutenden Museen - allen voran natürlich in der Österreichischen Galerie in Wien - und wichtigen Privatsammlungen - wie der Sammlung Rudolf Leopold. Gelangt jemals eines seiner Gemälde zur Versteigerung, so erzielt es auf jeden Fall einen Preis in Millionenhöhe.

Ob es an der wiedererwachten Suche unserer Zeit nach dauerhaften inneren Werten liegt, was Waldmüllers Ansehen so befördert? Schrieb er doch in einer Spätschrift: „Der wahre Künstler kann kein Werk in irgendeiner Gattung schaffen, ohne eine läuternde Moral damit zu bezwecken, somit im Dienste echter Religiosität zu wirken. ...er wird überall nicht bloß auf das Auge, sondern immer auf das Gemüth des Beschauers zu wirken streben, denn dieses ist zuvörderst ja allein die Aufgabe der Kunst.”

Abbruch-Spekulanten

Was für heutige Künstler skurril bis abschreckend klingen mag, fand in Waldmüllers Sittenbildern „Das letzte Kalb, Notverkauf' von 1857, „Klostersuppe” um 1858 und „Nach der Pfändung, Die Delogierten”, 1859, lebhaften Ausdruck. Im letztgenannten Werk wird das Wohnungsübel im zweiten Jahrhundertdrittel kritisiert. In Spekulationsabsicht wurden die kleinen Häuser, wie man sie auf dem Bild sieht, von ihren Eigentümern dem Verfall preisgegeben. An deren Stelle wurden ertragreiche Großbauten errichtet, deren Zins für die einkommensschwachen Arbeiter nicht zu bezahlen war (siehe Katalog zur Waldmüller-Ausstellung im Kunstforum Länderbank Wien, 1990, Seite

ERRATUM: In FURCHE 1/1993, Seite 13, muß im Beitrag „Ephesus: Kolossaltempel wiedererrichtet” in der zweiten Spalte, letzter Absatz, die Jahreszahl 1987 heißen (und nicht wie irrtümlich geschrieben „1897”).

39f). Die Thematik erscheint heute wieder erschreckend aktuell.

Natürlich verstand es Waldmüller, Pathos und Mitleid mittels Mimik, Gestik, Kompositionsaufbau und Wahl des „fruchtbaren Augenblicks” seiner Bilderzählung zu erzeugen, und zwar so sehr, daß die Kunsthistorikerin Maria Buchsbaum diese Quasi-Insze-nierungen eines Volksstückes auf den direkten Einfluß der Bühnenwirklichkeit zurückführt, und den Handlungsraum als Bühnenkulisse interpretiert.

Darüber hinaus schätzt die Nachwelt auch eine Vielzahl von Porträts, die Wiener Bürgerfamilien des Biedermeier wirklichkeitsgetreu wiedergeben. Was aber Ferdinand Georg Waldmüllers tatsächlichen Ruhm ausmacht, ist die direkte Sonnenlichtmalerei, die auf seiner Forderung beruht, vor der Natur zu malen. Damit wandte er sich mit erstaunlichem Weitblick gegen den starren Akademismus seiner Zeit. Fünfzig Jahre nach seinem Tod erklärten ihn dafür die Secessio-nisten als einen der Ihren.

Auf die Waldmüller-Gedenkausstellungen dieses Jahres darf man gespannt sein.

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