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Unangepaßt und zwangspensioniert

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Wenn Waldmüller genannt wird, fallen den meisten von uns berühmte Genreszenen ein: „Die Pfändung” oder „Kinderlust”, „Der Nothverkauf eines Kalbes” und vor allem, selbstverständlich, „Der Abschied des Kon-skribierten”, das heißt des einrückenden Soldaten. Und natürlich Porträts: Das unergründliche Selbstporträt aus dem Jahr 1828, und das berühmte Bildnis der Mutter, und der Beethoven mit dem verkniffenen Mund, und die uralt gemalte Josefine Ernst (so ehrliche Porträts sind heute modern, aber nicht mit dem Pinsel, sondern mit der Kamera).

Es gibt aber noch einen anderen Waldmüller. Den Waldmüller, der das Biedermeier-Image, das seinem Namen hartnäckig anhaftet, stark relativiert. Den Waldmüller, der drauf und dran ist, die Kunst-Konventionen seiner Zeit zu durchbrechen und es auch immer wieder tut. Den Waldmüller, für den, so ein früherer Autor, „die Beobachtung des Lichtes und der Luft ... das Problem seines Lebens” war. Was anderes, als die Beobachtung des Lichtes und der Luft, war das Programm der Impressionisten?

Man kann diesen Waldmüller vor allem in einem Teil seiner Landschaften entdecken. Aber auch bei der Betrachtung des landschaftlichen Hintergrundes mancher Genreszene. Und einiges, beispielsweise den linken Hintergrund der „Berglandschaft mit der Ruine Liechtenstein bei Möd-ling”, könnte man glatt einem österreichischen Maler der fünfziger Jahre j des zwanzigsten Jahrhunderts zuschreiben - würde es sich nicht um den stark vergrößerten Ausschnitt eines viel größeren Bildes handeln.

Solche Entdeckungsreisen durch das Werk dessen, der die österreichische Malerei des neunzehnten Jahrhunderts bis zum Anbruch der Moderne dominierte, fördert das monumentale Werk, das Standardwerk für lange Zeit, nämlich Rupert Feuchtmüllers großes Waldmüller-Buch. Je tiefer man in dieses Buch eindringt, desto tiefer zieht man auch den 1 lut vor einem Autor, der sich ein Leben lang mit Waldmüller beschäftigt hat und wohl mehr über ihn weiß als jeder Lebende, vor der Souveränität, mit der er in diesem magnum opus von einer Monographie drei Elemente verschmilzt: Das hervorragend gedruckte Abbildungsmaterial, den eigenen Text, also Biographie und Interpretation, und Waldmüllers eigene Schriften, die zum Verständnis sehr wichtig sind.Dabei kommt auch der unange-paßte, Zeitgenossen kritisierende, provozierende und im 64. Lebensjahr strafweise mit halbierter Pension in den Ruhestand versetzte Waldmüller zu seinem Recht. Der später zeitweise als Ausbund der Biedermeierlichkeit Mißverstandene als Aufbegehrer und Gemaßregelter: Der Gedanke an Grillparzer drängt sich auf.

Er kämpfte um sein Recht und fand, „ohne Vermögen und unter dem Druck von Nahrungssorgen”, wie es in einem Schreiben des Staatsministers Graf Schmerling an den Kaiser hieß, in seinen letzten Jahren zu seiner Höchstform. Im Sommer 1864, dem letzten, den er ganz erlebte, wurde ihm die volle Pension zugestanden. Das Kaiser schloß sich Schmerlings Ansicht an, Waldmüllers Verdienste hätten mehr Gewicht als seine „Ausschreitungen” gegen Kunsterziehung und Kunstbetrieb. Wirklich richtig einzuschätzen wußte man ihn erst wieder nach der Jahrhundertwende. Zu Lebzeiten hatte er maximal 1.600 Gulden für ein Bild bekommen, nun erzielte die „Perchtoldsdorfer Bauernhochzeit” sogar 17.000 Gulden. Ein Mäzen erstand sie als Geschenk für die kaiserlichen Sammlungen.

Das Werk Verzeichnis ist mit 1.103 Werken auf jüngstem Stand. Sieben Waldmüller zugeschriebene Werke mußten ausgeschieden werden.

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